7. Sonntag nach Trinitatis 31. Juli 1960 Wolfenhausen/Nellingsheim


181,1-3 Jauchzt, alle Lande (133)

233,1-3 Sei Lob und Ehr dem (220)

233,8.9

181,7 Jauchzt, alle Lande (133)


1 Kor 2,6-13

Gen.1,26-31


Liebe Gemeinde!

Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“

Das ist ein Spruch, den wir alle kennen, ein Spruch, den wir im ersten oder 2. Schuljahr einst gelernt haben, und den wir in seiner einprägsamen Art nicht vergessen haben. Freilich: Was ist damit gemeint? Was heißt das, dass der Mensch nach Gottes Bild geschaffen ist?

Darüber wollen wir heute miteinander nachdenken. Was heißt es, dass der Mensch nach Gottes Bild geschaffen ist? Sicher heißt das nicht, dass der Mensch seiner äußeren Gestalt nach aussieht wie Gott. Und dass darum natürlich auch Gott aussieht wie ein Mensch. Diese äußere Gestalt ist es gewiss nicht, welche gemeint ist, wenn wir sagen, dass der Mensch Gottes Bild sei! Vielmehr wissen wir: Unser Leib, unsere äußere Gestalt, ist nicht so verschieden von tierischen Leibern, dass wir sagen könnten, sie sei etwas ganz anderes, Neues.

Sie ist vielmehr tierischen Gestalten außerordentlich ähnlich. Und wir wissen dazuhin genau, dass es keinen Sinn hat, dem Schöpfer und Herrn der Welt eine Gestalt zuzuweisen, die Gestalt eines geschaffenen Dings. Gott ist kein Ding, - wie auch unser Leib ein Ding ist – das man in seinem Aussehen beschreiben kann, das besteht aus Stoff und Form – töricht wäre es so von Gott zu reden. Nein! Wenn wir sagen, dass der Mensch Gottes Ebenbild an sich trage, dann ist gewiss nicht dies gemeint, dass er seiner äußeren Gestalt nach so aussehe wie Gott.

Was ist es dann aber, dieses Ebenbild Gottes, das der Mensch kraft Gottes Schöpferwillen an sich trägt? Schauen wir zu, wie Gott diesen Menschen geschaffen hat: Gerade ihn als Ende und Krönung seines ganzen göttlichen Schöpfungswerkes. Das ist der Gott, wie ihn uns der Anfang der Bibel zeigt, Gott der Schöpfer, der schaffende Gott: Er, der Himmel und Erde, der das All geschaffen hat in seiner ganzen Fülle und in seine herrlichen Ordnung. So wird uns hier Gott gezeigt. Und wenn dann die Rede davon ist, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen habe: sollte das nicht eben das Bild dieses schaffenden Gottes sein – so dass mit jener Gottebenbildlichkeit dies gemeint wäre, dass der Mensch ein Schaffender ist, gleich Gott. So, dass der Mensch sich seine Welt erschafft, wie Gott. Freilich, eben seine kleine Menschenwelt, in welcher er zu Hause ist, und nicht die ganze, große, weite Gotteswelt. Seht, es hat schon sein Recht, wenn wir sagen, dass der Mensch ein Schaffender ist, wie Gott: Dass er seine Welt gestaltet nach seinem Willen. Dass er tut, was ihm richtig erscheint, und diese seine Welt so ordnet, wie ihm das passt. Wie Gott allerlei Gras und Kraut aus der Erde aufwachsen ließ, so will das der Mensch auch tun, und es soll sein, was er will, sein Weizen, seine Rüben, seine Kartoffeln! Das Tier sucht sich zusammen, was ihm zur Nahrung dient, der Mensch lässt`s wachsen (- so Gott will). Oder schauen wie, wie der Mensch die Tiere zähmte und züchtete, nach seinem Willen neue Arten gestaltete, wie er sie am Besten gebrauchen zu können meinte. Denken wir, wie er Flüsse zähmte, wie er die Kräfte der Natur seinem Denken dienstbar machte: Wohl, das ist ein Schaffen, wie es kein Wesen auf der Erde vermag, ein Schaffen, das diese unsere Menschenwelt gestaltet hat. Seht: wie Gott ein Schaffender ist, so ist auch der Mensch ein Schaffender. Das sehen wir klar vor Augen – und es gehört zum Recht des Menschen, welches ihm sein Schöpfer mit gegeben hat dass er so ein Schaffender sei. Denn dazu ist er berufen, zu herrschen auf der Erde, und diese Erde nach seinem Willen zu gestalten. Gott hat ihm das angewiesen, als er sagte: „Füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über alle Lebewesen.“

Freilich, wir wissen wohl, dass der Mensch auch Unordnung schaffen kann in Gottes Welt und nicht bloß Ordnung, dass er zerstören kann, und nicht bloß bauen. Doch – dies ändert nichts daran, dass der Mensch nach Gottes Willen ein Schaffender ist, der seine Menschenwelt sich erschafft und ordnet nach seinem Willen. Ist also dies das Bild Gottes, welches der Mensch an sich trägt, dass er ein Schaffender ist – so ist es Gottes Willen – wie Gott ein Schaffender ist? Wir werden sicher sagen müssen: Dies gehört mit zu dem Bild Gottes, das der Mensch an sich trägt, dass er zu Schaffen vermag, dass er Herr ist über die Natur und ihre Kräfte, dass er sie in seinem Dienst zu zwingen versteht. Aber diese Antwort vermag uns noch nicht zu genügen. Wir müssen weiter fragen danach, was es denn heiße, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen habe.

Vielleicht, dass uns jener Satz ein wenig weiterhilft bei unserer Überlegung, wo es heißt, „Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach Gottes Bilde schuf er ihn und schuf sie als Mann und als Weib. Als Mann und als Weib: Vielleicht, dass wir hier etwas zu erkennen vermögen von dem Bilde Gottes, welches dem Menschen aufgeprägt ist. Gewiss nicht so, dass in diesen Worten nun einfach die geschlechtliche Unterschiedenheit der Menschen angesprochen wäre – ein physiologischer Tatbestand, welchen sie ja mit allen höher entwickelten Lebewesen gemein haben. Vielmehr haben wir in diesen „als Mann und als Weib“ mehr zu sehen: Den Hinweis darauf, dass der Mensch seinem Wesen nach nicht allein sein kann. Vielmehr vermag er dies Wesen nur zu bewähren, wenn er einen anderen Menschen hat.

Wir könnten hier eine ganze Reihe von Eigenschaften aufzählen, welche den Menschen auszeichnen, und die erst dort richtig zur Geltung kommen, wo dieser Mensch nicht allein ist, sondern wo wenigsten zwei dabei sind, welche dies menschliche Wesen betätigen. Da wäre zunächst einmal die Sprache zu nennen, jene besondere und bewundernswerte Fähigkeit des Menschen, sich auszudrücken und sich mit seinesgleichen zu verständigen. Nur wo zwei sind, gibt es dies Sprechen, miteinander sprechen können, wo einer mit sich allein spricht, wo er Selbstgespräche hält, da empfinden wir mit Recht eine Störung der ursprünglichen Ordnung des Menschseins. Nicht nur um das Miteinandersprechen können geht es hier, sondern um das Miteinanderarbeiten und Miteinaderleben überhaupt. Man wird freilich sagen können, dass es auch unter Tieren bewundernswerte Beispiele der Zusammenarbeit gibt, etwa bei den geselligen Insekten, im Bienenvolk und im Ameisenstaat. Aber dort sind es eben nur die durch den Instinkt genau vorgezeichneten Verrichtungen, welches die einzelnen Individuen vollbringen. Hier unter uns Menschen aber vermag ein gemeinsam gesetztes Ziel viele zu einem Plan zu vereinen, zu welchem dann jeder seinen Teil beiträgt. Schließlich: Dies alles, das Angewiesensein der Menschen aufeinander, wie es hier ausgedrückt ist in dem Satz: „Er schuf sie als Mann und als Weib“ – dies weist uns hin auf die höchsten Möglichkeiten des menschlichen Zusammenlebens, auf Vertrauen, auf Treue und Liebe. Das gehört zum Menschen, dass er vertrauen kann, und dass er Treue zu halten vermag, und dass er uneigennützig und selbstlos lieben kann, das Beste eines anderen Menschen suchen kann. Auf dies alles werden wir hingewiesen, wenn unser Text die Urtatsache des menschlichen Beieinaderlebens nennt, jenes „er schuf sie als Mann und als Weib“ Ist das nun jenes göttliche Ebenbild, von welchem unser Text redet, dies, dass der Mensch vertrauen kann, dies, dass er Treue halten kann, dies, dass er lieben kann? So, wie wir sagen können, dass Gott der Welt, die er geschaffen hat, die Treue hält, so, wie wir sagen, dass er seine Geschöpfe liebt – so konnte auch der Mensch eben lieben und die Treue halten – und das wäre das göttliche Bild seines Wesen?

Seht, das ist gewiss nicht falsch, und doch ist auch dies noch nicht die ganze Wahrheit über jenes Gottesbild, welches dem Menschen aufgeprägt ist. Vielmehr: Wenn wir sagen, was denn das heiße, dass der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen sei, so werden wir noch einmal weiter zu fragen haben. Ich meine, die ganze Wahrheit erfassten wir in jenen Worten, mit welchen die Schöpfungsgeschichte, das ganze Sechstagewerk überhaupt, abschließt, wo es heißt: Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und sie da, es war sehr gut. Freilich – wir könnten nun anfangen, und könnten problematisieren, und könnten Fragen über Fragen aufwerfen, und könnten uns fragen, woher denn dann all das Böse und all das Übel in der Welt komme, und ob wir uns nicht doch eine bessere Welt als die gegenwärtige denken könnten. Seht, all dies brauchen wir jetzt nicht zu fragen, und sollen es nicht fragen, sondern sollen zunächst einmal einfach dies Urteil Gottes über seine Schöpfung hören: „Sehr gut.“ Seht – um das nun klar zu machen, was dieses Urteil Gottes über sein Werk zu tun hat mit der Gottebenbildlichkeit des Menschen, da muss ich nun einmal sehr menschlich von Gott reden: Wenn uns ein Werk gelungen ist, mag es sein, was es wolle, so wollen wir uns ganz gewiss nicht nur allein darüber freuen. Vielmehr, dann wollen wir es zeigen, dann wollen wir, dass andere unserem Urteil zustimmen, dann wollen wir, dass es gefällt, was uns gefällt. – So ist es, menschlich gesprochen - Gott gegangen. Er hat sich uns erschaffen, damit wir seinen Urteil zustimmen: Sehr gut. Er hat uns gemacht damit wir sein wunderbares Werk bewundern. Er hat uns gemacht, damit seine Schöpfung dieser Ausfluss seiner göttlichen Herrlichkeit und seiner allmächtigen Kraft, nicht stumm bleibe, sondern ihm antworte, ihm zustimme in seinem Urteil, ihn lobe und preise. Seht – das ist der Kern und die tiefste Wahrheit dessen, dass Gott uns Menschen nach seinem Bilde geschaffen hat, dies, dass wir wissen, und aussprechen, was er wusste und aussprach. Es war, es ist, sehr gut. (dass das nicht ohne Widerspruch und Streit abgeht, ist Folge unsrer Sünde. Dazu aber sind wir geschaffen, da zu tragen wir Gottes Bild, dass er aus seiner Welt heraus hört: Es war sehr gut. Amen.