Reformationsfest 5.11.1989 Martin-Luther-Kirche Büchenbach

 

186,1-3 Singt, singt

Intr. 24

189,1.2 Lobt Gott den Herrn

207,1-9 Ach bleib bei uns

139 Verleih uns Frieden

 

Röm 3,21-28

Mt 5,2-10

Jes 62,6-12

 

Herr, unser Gott,

der du die Zerstreuten sammelst und in der Einheit des Glaubens bewahrst,

wir bitten dich,

versammle deine Kirche in der Einheit des Glaubens, damit wir deiner Wahrheit gehorchen, einander dienen und dich mit einem Munde bekennen und loben

durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir in der Einheit des Heiligen Geistes lebt und regiert in Ewigkeit. Amen

 

Du unser Gott,

du willst, dass wir dich bitten ohne Unterlass. Denke an deine Verheißungen. Mach wahr, was du versprochen hast. Richte deine Gemeinde auf und beweise deine Herrlichkeit an ihr vor aller Welt.

Lass die getrennten Kirchen zusammenfinden. Beseitige du Vorurteile und Traditionen, die uns trennen. Lass uns miteinander deine Herrlichkeit bezeugen.

Wir bitten dich für die Völker und Staaten, für alle, die Gewalt erleiden und die Macht ausüben. Gib allen Menschen ihr Recht. Insbesondere bitten wir dich für die Menschen in der DDR. Gib du, dass ihnen gelingt, was sie erhoffen, dass ihr Wille, in Freiheit zu leben, zum Ziel kommt.

 

Gib du allen Menschen, was sie brauchen, Arbeit und Brot, Heimat und Anerkennung. Wehre du der Ausbeutung von Mensch und Natur und lass deine Geschöpfe beieinander leben nach deinen Willen.

Besuche die Einsamen und Kranken, geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden.

Auf dich hoffen wir, Gott. Lass uns nicht zuschanden werden. Amen

 

Liebe Gemeinde!

Gebt keine Ruhe – ihr Wächter auf den Mauern Jerusalems. Gebt keine Ruhe – gebt ihm keine Ruhe – Gott dem Herrn.

So setzt das prophetische Wort ein: „O Jerusalem…auf Erden!“ Tag und Nacht gebt keine Ruhe – gönnt euch keine Ruhe, lasst ihm keine Ruhe: So hören wir das, dringlich und drängend. Aber hat Gott das nötig? Weiß er nicht selbst, was er verheißen hat, geschworen bei seiner göttlichen Macht, bei seiner Rechten und seinem starken Arm. Gebt keine Ruhe – gönnt euch keine Ruhe, lasst ihm, lasst Gott dem Herrn keine Ruhe, bis wahr geworden ist, was doch wahr werden muss. Um Gottes willen muss es wahr werden, dass Jerusalem aufgerichtet wird, und gesetzt zum Lobpreis auf Erden.

Um Gottes willen muss das wahr werden: Die ganz Erde soll es sehen, wie herrlich dies Jerusalem ist. Alle Welt soll es wahrnehmen, wie Gott seine Menschen selig macht – die geistlich arm sind: Denn das Himmelreich ist ihr. Gott macht sie selig. Die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. Die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Die da hungert, und dürstet nach der Gerechtigkeit. Denn sie sollen satt werden. Die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen. Die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden. Denn ihrer ist das Himmelreich, Gottes Reich.

Geschworen hat er bei seiner Rechten und bei seinem starken Arm: Er selbst, Gott selbst. Darum gebt keine Ruhe, ihr Wächter auf Jerusalems Mauern, gönnt euch keine Ruhe, lasst ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem wieder aufrichte und es setze zum Lobpreis auf Erden.

Nur keine falsche Bescheidenheit! Da es um Gott geht, um seine Herrlichkeit, die er an Jerusalem erweisen will, an seiner Gemeinde, den Menschen, die er sich erwählt hat – soll ich sagen: An uns? Um Gottes willen keine falsche Bescheidenheit. „O Jerusalem…zum Lobpreis auf Erden“!

Sind wir da gemeint? Sollen uns auf die Mauern stellen, sollen kein Ruhe geben – uns keine Ruhe gönnen, Gott dem Herrn keine Ruhe lassen, bis er seine Verheißungen wahr macht? Ich denke schon. Wir feiern heute das Reformationsfest, wie jedes Jahr. Und als Martin-Luther-Gemeinde, die sich nach dem Reformator Martin Luther nennt, haben wir dazu erst recht unseren besonderen Anlass. Aber was feiern wir denn an diesem Tag? Sicher, die Reformation feiern wir. Die Erneuerung der Gemeinde Jesu Christi feiern wir. Die Geschichte kennt ihr, die Geschichten, die zur Reformation gehören, kennen wir: Luther, wie er die Ablassthesen anschlägt, Vorabend vor Allerheiligen 1517 – danach hat der Reformationstag sein Datum. Luther auf dem Reichstag in Worms, Luther auf der Wartburg. Der Reichstag von Augsburg 1530 und unser Bekenntnis, die Augsburger Konfession. Was feiern wir damit? Feste feiert man doch aus einen freudigen Anlass, aus einem Anlass auf den man stolz sein kann. Sollen wir stolz sein darauf, das wir evangelisch sind und nicht katholisch? Dass wir also zum Gottesdienst in die Martin-Luther-Kirche kommen und nicht in die Apostelkirche. Deshalb heute, jetzt das Reformationsfest?

Ist denn eingelöst, was dieser Namen, dieser Tag, dieses Fest verspricht: Jerusalem, die Gemeinde Gottes, herrlich wieder aufgerichtet – der Lobpreis Gottes auf Erden? Jeder hat irgendwann das Sprüchlein gehört: Not lehrt beten! Ich will es umkehren: Beten lehrt die Not! Ihr Wächter auf den Mauern Jerusalems. Wir Wächter auf den Mauern Jerusalems – gebt keine Ruhe. Gönnt euch keine Ruhe,- lasst Gott dem Herrn keine Ruhe, bis er sein Verheißung eingelöst hat. Jawohl! Vielleicht merken wir es gerade unter dem Beten: Führe du uns zusammen – Herr, unser Gott. Mach doch endlich ein Ende mit der Zerstreuung deines Leibes, Jesus Christus; du unser Heiland. Da ist eine Not, die uns keine Ruhe lassen kann. Es ist schön, wenn der katholische Pfarrer die evangelische Gemeinde besucht und ihr solch eine deutliche und aufrüttelnde Predigt hält, wie wir sie letzten Sonntag gehört haben. Aber das schärft doch erst recht ein, wie unnatürlich und elend es ist, woran wir uns schon viel zu gut gewöhnt haben: Hier ein evangelisches Jerusalem – dort ein katholisches – und nicht zu vergessen: Da ein jüdisches Jerusalem.

Gebt keine Ruhe! „O Jerusalem… Lobpreis auf Erden.“ Nein! Hier keine falsche Bescheidenheit. Es geht um Gott selbst, geht um seine Ehre, geht um seine Macht und Herrlichkeit. Es geht darum, dass ihn die Menschen erkennen. Dass sie nicht mehr dieser Christengemeinde den Rücken kehren können, und sagen: Mit diesen paar Leuten da, und mit ihrem Gott will ich nichts zu tun haben, und komme ganz gut ohne diesen Gott und seine Frommen zurecht. Ich verstehe das manchmal recht gut. Eine Bußpredigt will ich jetzt nicht halten.

Sie passt nicht zum Reformationsfest. Aber wer sind wir denn? Lobpreis auf Erden? So herrlich, dass keiner dran vorbei kann, und jeder sagen muss: Zu diesen Leuten will ich auch gehören, ihren Gott will ich auch verehren? Eine kleine Gemeinde, ein Häuflein gutwilliger Christen, in seinem Martin-Luther-Kirchlein sind wir. Sollte einer da nicht nur zu leicht sagen können: Was soll mir denen ihr Martin-Luther-Göttlein?

Nein! Keine falsche Bescheidenheit. Es geht um Gott selbst, um seine Macht und Herrlichkeit. Darum schärft er`s ein, der Prophet: Gebt keine Ruhe. Gönnt euch keine Ruhe, lasst Gott dem Herrn keine Ruhe, bis er seine Verheißung wahr macht. Heraus! So muss man`s übersetzen – geht durch die Tore. Heraus – dem entgegen, was kommen muss, dem entgegen, der kommt. „Geht heraus – durch die Tore… für die Völker!“ Bis an die Enden der Erde lässt er es hören, unser Gott: „Siehe, dein Heil kommt! Siehe, dein Heiland kommt – und alle, alle mit ihm, die er sich erworben hat! Ich mit ihm: „Ich glaube… wahr!“ Aber doch nicht ich allein – doch nicht bloß wir paar Leute, die beieinander sind, ihn zu loben und sein Mahl zu feiern. Das wäre viel zu wenig: Geht es doch um Gott und seine Herrlichkeit. Geht es doch um unseren Heiland und sein Liebe. Sie muss heraus, ans Licht, gepriesen vor der ganzen Welt. Darum gebt keine Ruhe – ihr Wächter. Bittet ihn – klagt, ruft, erinnert. Lasst euch die Not Jerusalems zu Herzen gehen. Das ist dann vielleicht nicht das stolze Fest. Aber das, was Not tut und an der Zeit ist. Amen.