2. Advent, 8.Dezember 1963 Wolfenhausen/Nellingsheim

 

123,1-4      wir warten dein (242)

3. 1-5         Ihr lieben Christen (227)

10,6.7        Wie soll ich dich (233)

2,9             Gottes Sohn ist (92)

 

Luk 21, 1-7

Jes. 40, 1-5

 

Liebe Gemeinde!

 

„Die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen, denn des Herrn Mund hat’s geredet“ - so steht es da. Was denken wir uns dabei, wenn wir so hören: „Herrlichkeit des Herrn?“ Vielleicht stellen wir uns einen gewaltigen Lichtglanz vor, vielleicht denken wir an ein Bild, auf dem mit viel Gold und kostbaren, leuchtenden Farben Gott zu sehen ist – vielleicht können wir uns auch bei diesem Wort „Herrlichkeit des Herrn“ gar nicht viel denken, und sagen uns, das müsse eben etwas ganz Anderes, Gewaltiges, Unbegreifliches, etwas Überwältigendes sein, was da als Herrlichkeit Gottes offenbart werden soll. Und setzen dann so oder so, wahrscheinlich dazu, dass wir jedenfalls diese Herrlichkeit Gottes noch nicht gesehen haben, und dass also anscheinend noch aussteht, was der Prophet hier ankündigt.

Herrlichkeit Gottes: Das müsste doch wohl etwas Glänzendes, Strahlendes sein, jedenfalls ganz anders als das, was wir kennen als unsere Welt, mit ihren Begebenheiten, Freuden, Schmerz, Arbeit, Sorge, mit ihren Menschen – mit all diesem, was wirklich so glänzend nicht ist, mögen wir nun auch um ein bisschen Weihnachtsglanz für uns und vor allem für unsere Kinder in diesen Tagen redlich besorgt sein, Herrlichkeit des Herrn – was wir uns dabei denken, das ist jedenfalls von unserer Armseligkeit himmelweit geschieden. Gerade darum werden wir ja auch auf die Frage, ob wir diese Herrlichkeit denn schon gesehen hätten, aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem runden: Nein! antworten.

Aber da steckt ja erst der Anfang der Frage, welche dieses Prophetenwort an uns richtet – mit seiner so zuversichtlichen Behauptung: „Die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen, denn des Herrn Mund hat’s geredet.“ Eine Frage an uns – ob wir nicht im Voraus schon zuviel wissen, und uns darum das, auf was es schließlich ankommt, nicht sagen lassen. „Tröstet, tröstet mein Volk! Spricht eurer Gott“ – so fängt dies Wort an, und dann heißt es, dies sei der Trost, dass jetzt die Dienstbarkeit dieses Volkes ein Ende habe. Denen das gesagt war, das waren Gefangene, Deportierte, Heimatvertriebene – oder vielmehr deren Kinder; denn 50 und 60 Jahre war das nun her, seit man sie umgesiedelt hatte, zwangsweise, von Jerusalem und dem umliegenden Gebirge nach dem tausend Kilometer entfernten Babylonien – Irak hießt das heute – einer Tiefebene ohne Berg und Tal. Dort hatten sie sich inzwischen eingerichtet – und die Heimat, die Erinnerung an die Heimat, versank in immer weitere Ferne, und die Hoffnung auf Rückkehr, die hatten sie schon so gut wie aufgegeben. Bis jetzt der Prophet – ein Namenloser, dessen Predigt uns in den Kapiteln 40-57 des Jesajabuches überliefert ist, mit seinem Wort die Hoffnung anstachelte: Jetzt ist die Zeit um, die Dienstbarkeit am Ende – ihr könnt wieder heim!

Was das für die damals bedeutet hat, kann man sich ausmalen: Gleichgültig werden die einen gewesen sein, die sagten: Babylon ist unsere Heimat, da bleiben wir. Aufregend wird es für die anderen gewesen sein – vor allem für die Alten, die die Heimat nicht nur vom Hörensagen kannten. Aber was das für die Leute damals bedeutete, das braucht uns jetzt nicht allzu sehr zu interessieren, denn wir sind jedenfalls alle nicht so dran wie sie – denn auch für die unter uns, die ihre Heimat verloren haben, heißt es ja nicht: bald könnt ihr wieder zurückkehren. Nein! Was uns jetzt angeht, ist die Art, wie der Prophet diesen Weg in die Heimat ankündigt – den mühseligen Weg, an dessen Ende die harte Arbeit des Wieder-Heimischwerdens und Wiederaufbauens stehen sollte – wie wir uns das ja leicht ausmalen können. Wie kündigt es der Prophet an, was da geschehen soll: „Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht auf den Gefilde eine ebene Bahn unserem Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade und was hügelig ist soll eben werden und die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden!“ Gott soll der Weg  bereitet werden – das wird da gesagt. Und die angerufen werden von dieser geheimnisvollen Stimme, die aufgerufen werden zu diesen gewaltigen Werk, mitten durch die Wüste, die zwischen Babylon, dem Ort der Verbannten und Jerusalem, dem Ziel ihrer Heimkehr lag, eine ebene Straße, ein Weg für Gottes Triumphzug, zu bauen, das sind gewiss keine Menschen, sondern es sind die Engel Gottes. Redet der einfach so daher, der Prophet? Redet er einfach im Überschwang, ohne sich viel bei seinen Worten zu denken? Ich glaube nicht. Vielmehr: Darauf, auf dies Art seiner Ankündigung, müssen wir nun unsere Aufmerksamkeit sehr genau richten. Zunächst scheint uns das ja Zweierlei zu sein, der mühselige und beschwerliche und ärmliche Heimweg, der jenen Heimatvertriebenen bevorstand, und die von den Engeln bereite, ebene, gerade Straße, mitten durch die Wüste, auf der Gott im Triumph daher fahren sollte. Das eine – das ist die Wirklichkeit, wie wir sie kennen – dieser beschwerliche Heimweg! So beschwerlich, dass, als es ein paar Jahre nach dieser Ankündigung des Propheten wirklich wo weit war, viele diese Beschwernis scheuten und lieber dort blieben, wo sie nun einmal waren und es sich eingerichtet hatten. Dieser Weg ist die Wirklichkeit, wie wir sie kennen. Und da andere – diese von den Engeln gebaute Straße, auf der Gott durch die Wüste ziehen sollte, herrlich und gewaltig? Die hat es nie gegeben, so urteilen wir – man kann sie ja nicht sehen, sie ist Phantasie, es gibt sie nur in den Worten des Propheten.

Liebe Freunde! so ganz Unrecht hätten wir nicht einmal, wo wir so urteilen. Bloß eines ist falsch: Unsere Voraussehung, als sei dies Zweierlei – der armselige Rückmarsch der Vertriebenen, und der herrliche Triumphzug Gottes! So meint es der Prophet nicht. Vielmehr: Das ist ein – und dasselbe, dieser Weg der Vertriebenen, und Gottes Triumphzug. Ein – und dasselbe! Das zu begreifen, darauf kommt’s an. Darum hat dieses alte Wort für uns heute überhaupt nur einen Sinn, weil es geeignet ist, uns das einzuschärfen: Es ist ein – und dasselbe! Da, wo die paar Rückwanderer ihren beschwerlichen Marsch tun, da ist es Gott, der im Triumphzug durch die Wüste zieht!

Die Lehre, die wir daraus ziehen dürfen, ist nicht schwer zu begreifen: Es ist falsch, wenn wir unterscheiden zwischen unserer Armseligkeit und Gottes Herrlichkeit, die da offenbar werden soll. Das ist nicht zweierlei, das ist ein - und dasselbe. Unsere Armseligkeit – da ist Gottes Herrlichkeit drin, und in Gottes Herrlichkeit, da ist unsere Armseligkeit aufgehoben. Schaut doch voraus auf Weihnachten, auf das so vielberufene Kindlein in der Krippe – das ist`s : Ein – und dasselbe, Gottes Herrlichkeit und unser Armseligkeit in einem!

Seht: Da bekommt die Frage nun auf einmal ihren guten Sinn: Hast du sie gesehen, diese Herrlichkeit Gottes, von der der Prophet redet? Vielleicht – dort, wo ich so übel dran war – und dann ging es doch weiter! Dort, wo ich mich ängstete um meine Schuld – und mich der Vergebung trösten konnte! Dort, wo ich armseliger Mensch einem Anderen etwas sein durfte, dass ich merkte: Einmal bist du nun doch etwas nütz gewesen! „Alles Fleisch miteinander wird es sehen, denn des Herrn Mund hat’s geredet.“ Dann wird es Weihnachten. Amen.