Jes 40, 6-11, 15. Dez. 1963 Wolfenhausen/Nellingsheim

 

10,1-4        Wie soll ich dich (233)

14,1-5        Die Nacht ist (51)

9,4             Mit Ernst, o (237)

7,5.6          Nun jauchzet all (15)

 

Mark 1,1-8

Jes.40,6-11

 

Liebe Gemeinde!

 

Fangen wir gleich beim ersten Satz dieses Prophetenwortes an: „Es spricht eine Stimme: Rufe! Und ich sprach: Was soll ich rufen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Herrlichkeit ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“

Die erste Hälfte dessen, was da gesagt wird, die geht uns leicht ein. Spricht sie doch eine alltägliche Erfahrung aus, die zu dem Selbstverständlichkeiten unseres Lebens gehört: Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt – und genauso ist es mit uns Menschen: alles Fleisch ist wie Gras. Jeder von uns hat seine Zeit, und einmal geht diese Zeit zu Ende – bald, vielleicht zu bald nur. Freilich kann sich einer diese Sache auch verdecken, indem er sagt: Jawohl, alle Menschen müssen sterben – aber ich bin ja noch lange nicht dran. Aber damit ist ja nichts gewonnen – und diese dem Propheten aufgetragene Predigt will uns daran erinnern: Mach dir nichts vor, du bist`s – ja, das Volk ist das Gras – ich bins. Meine Zeit ist bemessen, und ich kenne das Maß nicht!

Ich sage: Die erste Hälfte dieses Wortes, die geht uns leicht ein. Ist`s mit der anderen Hälfte auch so, mit dem, was da steht: „Aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich?“ Auch da kann einer natürlich von einer Selbstverständlichkeit reden, kann er sagen: Wenn es schon einen Gott gibt, so muss er anders sein als wir Menschen. Er darf nicht vergänglich sein, er darf sich nicht ändern – er muss ewig sein, und so wird es auch mit seinem Wort, so wird es auch mit seinem erklärten Willen sein: auch der muss dann in Ewigkeit bleiben!

Liebe Freunde! Wenn wir so dächten, dann wäre uns gar nichts gewonnen. Dann gingen wir an der Wirklichkeit dieses Wortes Gottes vorbei. Wenn ich sage: Alle Menschen müssen sterben, natürlich, aber ich bin noch lange nicht dran, - dann verstelle ich mir die Wahrheit über meine bemessene Lebenszeit. Und wenn ich sage: Natürlich, Gott ist ewig, und sein Wort wird gelten für alle Zeit – aber ich habe damit ja nichts zu tun – dann treffen wir die Wahrheit dieses Gotteswortes gerade nicht. Nein: Wie ich von der Vergänglichkeit des Menschenwesens nur richtig reden kann, wenn ich sage: Ich bin das, ich bin Gras, mit mir ist es bald vorbei – damit rechne ich – so kann ich von diesem Wort Gottes nur richtig reden, wenn ich sage: Dieses Wort da ist es, das ich mit meinen vergänglichen Ohren höre, dieses Wort da ist es, das nach meinen unruhigen und ängstlichen Herzen greift, das doch bald zu schlagen aufhört, dieses Wort da ist es, das mich, gerade mich und keinen anderen, aufsucht!

So ist das, liebe Freunde! Nur dort verstehen wir dieses scheinbar so selbstverständliche und eingängige Wort von der Vergänglichkeit unseres Menschenwesens und von der Ewigkeit des Gotteswortes recht, wo wir beides nicht auseinanderreißen. Wo wir nicht dem so naheliegenden Irrtum verfallen, als läge dies beides himmelweit voneinander – unsere Vergänglichkeit und die Ewigkeit Gottes. Nein:- Da müssen wir sehen: Wo von diesem Wort die Rede ist, da ist das Wort gemeint, das mich in meiner Vergänglichkeit aufsucht. Da ist dies Wort gemeint, das nach mir greift, das eingeht in meine bemessene Zeit, das Gott in diese meine Zeit hereinbringt! Nicht allgemein dürfen wir von diesem Wort reden, wenn wir recht davon reden wollen, so, wie wir nicht allgemein von der Vergänglichkeit der Menschen reden dürfen, sondern sehr direkt von meinem oder deinem Vergehen, wenn wir recht davon reden wollen.

Aber damit sind wir ja noch nicht am Ende, können noch nicht sagen, dass wir nun verstanden haben. Wir sind vielmehr erst am Anfang. Ich sagte: Das Wort ist gemeint, wo von dem ewigen Wort unseres Gottes die Rede ist, das hineingreift in meine bemessen Zeit. Das Wort ist gemeint, das ich höre mit meinen Ohren – das Wort, das nach meinem unruhigen und ängstlichen Herzen greift.

Was ist das für ein Wort? Woran erkenne ich es? Gewiss sind doch nicht alle die vielen Worte, die der Pfarrer predigt, dieses Wort. Und es sind doch wohl auch nicht alle die vielen Worte die in der Bibel gedruckt sind, dieses Wort. Richtig! Nur dort ist dieses Wort, wo es mir wirklich etwas zeigt! Nur dort ist dieses Wort, wo ich wirklich merke, dass es mich betrifft. Nur dort ist dieses Wort, wo es mir Gottes Nähe aufdeckt! „Siehe, da ist euer Gott, siehe der Herr, Herr! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen!“

Wo kommt er? So müssen wir ja jetzt fragen. „Siehe, da ist er!“ – sagt der Prophet, fordert Jerusalem auf, das laut hinaus zu rufen: „Siehe, da ist euer Gott: Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen.“

Wo ist er, fragen wir noch einmal. Denn ich kann ja jetzt nicht einfach mit meinem Finger herumfahren, und hierhin oder dorthin zeigen und sagen: Siehe, da ist Gott! Natürlich, versuchen könnte man das. An den Himmel zeigen, auf die gewaltige, unerschütterliche Ordnung der Gestirne. Da ist er. Oder in das Stirb und Werde der Natur – die unerschöpfliche Kraft, die aus dem Tod neues Leben gebiert. Da ist er. Oder auf die unbestechliche Stimme in meiner Brust, die mir sagt: Dies ist gut und dies ist böse. Da ist er. Oder auf die gerechte Vergeltung im Leben der Menschen wie der Völker, die auf den Hochmut den Fall folgen lässt . Da ist er! Ich sage: Versuchen könnten wir es schon, hierhin und dahin zu zeigen, und hier oder da etwas von der Gegenwart Gottes aufzuspüren. Aber wäre das nicht eben doch ein stummer Gott - stumm wie die kalte Pracht des Sternenhimmels in einer klaren Winternacht, stumm wie die Kraft der Natur – stumm wie die schreiende Anklage des Gewissens, die keinen Trost weiß, stumm wie die eherne Macht des unbestechlichen Schicksals.

Nein! so wollen wir es nicht machen, hierhin und dahin weisen und sagen: Da ist euer Gott! Der Prophet hatte etwas anderes zu sagen: Ihr armen Verbannten ihr dürft wieder zurück in die Heimat, und ihr öden Städte, jubelt, denn da kommen sie daher, die euch bauen und bewohnen werden. Das ist`s, was da geschehen soll, gleich, bald: Wartet drauf, ihr werdet es erleben! Da ist euer Gott. Er kommt gewaltig! Da ist Gott, der dies bewirkt. O ja! Für die, welche in der Verbannung auf ihre Heimkehr warteten, war das gewiss eine gute, eine sehr erfreuliche Sache. Gottes Werk! Nun, als der Prophet sie darauf hinwies, konnten sie das schon merken, konnten es sehen, konnten Gottes Nähe wahrnehmen, weil es nun wieder in die Heimat ging.

Aber was hilft das uns, was geht das uns an! Seht, ich würde mich jetzt gerne hierher stellen und sagen: Dieses da, oder dieses da, darauf warte. Da kommt Gott gewaltig, so gewaltig, dass ihr ihn sehen könnt. Aber ich weiß euch so etwas nicht einfach zu nennen. Ich kann nur sagen. Wo Gottes Wort da ist, da ist es so da. Da ist es nicht ein allgemeines Herumreden: Siehe, da ist Gott! Sondern da weiß einer genau zu sagen: Jetzt passt auf, was geschehen will; hier, hier ist er dabei; der Herr. Freilich, diese Auskunft allein genügt nicht: so müsste es sein, wo Gott redet, so redet, dass wir entdecken, wie er wirklich dabei ist, wirklich am Werk ist. Vielmehr: Er hat geredet, und darum wird er reden. Es lohnt sich, darauf zu warten. Und es ist kein vergebliches Warten. So gewiss meine Zeit bemessen ist, so gewiss sucht er mich auf, gerade in dieser bemessen Frist, sucht mich auf mit seinem kräftigen Wort. Das ist kein kleiner Trost. Da ist doch etwas, worauf ich warten kann!

Aber noch mehr: der da kommt, der ist schon immer dabei uns seinem Kommen entgegen zu führen – wie ein sorglicher Hirte, der sich aller, der sich gerade der Schwachen in seiner Herde annimmt. So gewiss noch viel durch ihn geschehen wird, so gewiss ist schon viel durch ihn geschehen – geschieht jeden Tag. Wagen wir uns heraus, damit das zu sagen? Amen.