Erscheinungsfest 1957 Münsingen


(Chor): Wie schön leuchtet

14,1-5 Die Nacht ist vorgedrungen

46,4,5 Herr Christ, der einig Gotts Sohn (Chor bis 3)

53,6 Jesus ist kommen

53,8


Mt 2,1-11

Jes 60,1-7

(und Joh 4,19-26)


Liebe Gemeinde!


Seit die christliche Kirche Erscheinungsfest feiert, hat man in den Gottesdiensten dieses Tages die Weissagung des Propheten über die Herrlichkeit des Herr gelesen und ausgelegt. Damit hat man der Gewissheit Ausdruck gegeben, dass in dem Kommen Jesu Christi die Verheißung des Jesaja erfüllt ist, dass in Jesus das göttliche Licht erscheinen ist, das das Dunkel erleuchtet, das über der Welt liegt. Das Licht, das die Völker in seinen Bann zieht. Das sie heraus weist aus der Macht ihrer Verlorenheit, ihres Irrtums, ihrer Sünde, ihres Götzendienstes; das sie hinaus führt zur Wahrheit Gottes. Das sie zum rechten Dienst Gottes bringt, und damit zu ihrem Heil und zu ihrer Seligkeit.

Das ist die Botschaft des Erscheinungsfestes: Das Licht, das die Welt erleuchtet, ist erschienen. Gott hat Wohnung genommen in der Welt, er ist nicht fern, unerreichbar über den unermesslichen Weiten des Sternenhimmels. Er ist nicht dunkel, unerkennbar, in dem gnadenlosen Walten eines finseteren Schicksals. Er ist nicht von uns geschieden, eingehüllt in die lodernde Flamme seines gerechten Zorns, der die Sünder verzehrt, die sich's vermessen wollten, in aller ihrer Unreinheit sich ihm zu nahen. Nein! Gottes Licht ist unter uns erschienen, es leuchtet mitten in Dunkel und Verwirrung, die unsere Welt bedecken. Es ist Licht und Hilfe unseres Lebens, Rettung aus unserem Dunkel. Es vertreibt die Nacht, die sich immer wieder neu über unser Leben senken will.

Freilich, wenn ich so rede, wenn ihr das hört – dann lässt sich die Frage nicht mehr länger zurück drängen, die Frage, auf die ich euch eine Antwort schuldig bin, eine offene, klare, unzweideutige und unmissverständliche Antwort: Die Frage: Wo ist dieses Licht? Wo können wir es finden? Denn das die Lichter, die heute zum letzten Mal an unserem Christbaum brennen, nur schwache Zeichen dieses Lichtes sind, das wissen wir alle gut genug. Dass die frohe, festliche Stimmung der Weihnachtstage, die uns erhebt, die uns wenigstens einmal im Jahr an die Zeit erinnert, wo wir noch Kinder waren, wo wir uns noch ohne alle Vorbehalte und Trübungen freuen konnten, den eintönigen, ermüdenden Pflichten unseres Alltags weichen muss, das haben wir in den knappen zwei Wochen, die uns vom Fest trennen, wieder zur Genüge erfahren. Wo ist dies wahre Licht, das nicht verlöscht? Wo ist die Helligkeit, die unsere Herzen weit und froh macht, weit und froh, wie wir das von den Stunden unter dem Lichterbaum her kennen?

Liebe Freunde! Wenn ich nun versuche, euch darauf eine Antwort zu geben, dann nur, weil ich ja nicht meine Antwort auf diese Frage zu geben habe, sondern weil ich euch alle – und mich selber möchte ich hier mit einschließen – hinweisen kann auf die Antwort, die Gott dieser Frage gegeben hat.

    1. Freilich, schauen wir nun auf die Verheißung des Propheten Jesaja, die ich euch heute auszulegen habe, so werden wir sehr schnell merken, dass es für ihn diese Frage – wo denn nun das Licht zu finden sei, das die Welt in ihrem Dunkel erleuchtet – gar nicht gibt. Vergessen wir nicht: Dieser Prophet ist ein Jude, und für einen Juden gibt es nur einen Ort auf der ganzen weiten Welt, an dem Gott sich nieder lassen kann. Nur einen Ort, von wo aus er die Welt erleuchten kann. Nur einen Ort, wo alle Völker, Juden und Heiden, ihm nahen können zu ihrem Heil: Das ist der Tempel in Jerusalem, in der heiligen Stadt der göttlichen Gegenwart. Dieser Stadt und ihren verzagten, zweifelnden, angefochtenen Bewohnern gilt sein Ruf. Denn das Jerusalem, in dem der Prophet lebt, ist nicht mehr die stolze Königsstadt eines David und Salomo, der die Völker weit in der Runde ihren Tribut brachten. Vielmehr ist es die von übermächtigen Feinden zerstörte Stadt; überall liegen die Trümmer. Die Straßen sind leer, die Grenzen zu weit für die wenigen Bewohner, die aus der Gefangenschaft zurück gekehrt sind. Der Wiederaufbau stockt, und die den alten Tempel Salomos vor seiner Zerstörung noch gekannt haben, spotten über das armselige Tempelchen, das die arme Gemeinde der Heimkehrer mit großer Mühe und vielen Opfern errichtet hat. Wie kann denn hier Gottes Wohnung sein – wo es doch den Heidenvölkern ringsum viel besser geht, die Tempel ihrer Götzen viel prunkvoller und reicher sind. Muss man denn nicht davon etwas sehen, dass in Jerusalem der rechte Tempel steht, das wahre Haus des allmächtigen Gottes, der alle Völker lenkt mit seinem gewaltigen Arm? Dass die Macht Gottes so verborgen ist, dass man so gar nichts sieht von seiner überströmenden Herrlichkeit – das ist die große Anfechtung dieser Gemeinde der Juden in Jerusalem, die durch unsere Verheißung getröstet werden soll. Dem: Man sieht so wenig – stellt er sein: Hebe deine Augen auf – entgegen: Wartet, er wird kommen! Wartet – die Heiden werden sein Licht erkennen. Gott hat sein Volk nicht verlassen. Freilich, in dem, wie er nun die Hoffnung im Einzelnen ausmalt, erkennen wir viele menschliche Gedanken. Text. Reichtümer, um den Tempel Gottes zu schmücken, Herden, um den Opferdienst auszurichten. Sehen wir auch einmal die Gefahr: Jerusalem hat gewartet, bis es die Erfüllung sehen sollte, und als sie kam, hat es das göttliche Licht nicht erkannt, denn es schaute nach Königskronen, nach Gold und Schätzen, nach unübersehbarem Volk und gewaltigen Heeren von Opfertieren.

    2. Fragen wir nach dem Ort des göttlichen Lichtes, das da ist, um unser Leben zu erleuchten, so muss der Weg der Weisen aus dem Morgenland unser Weg sein: Nicht in weltlicher Prachtentfaltung lässt sich der Ort des göttlichen Lichtes erkennen. Nicht dort scheint dieses Licht, wo die Menschen sein Aufleuchten erwarten: In einem gewaltigen Gottesdienst aller Menschen, in dem die Sehnsucht nach Reinheit und Gottesnähe in riesigen Opferfeuern empor lodert.Nicht an einem geheiligten Altar, wo ein würdiger Hohepriester, getragen vom Gebet der Hunderttausenden, die Versöhnung der Welt mit Gott vollzieht. Nicht in einer wieder hergestellten Weltordnung, in der göttliche Gesetze das Zusammenleben der Menschen regeln, und Hass und Gewalttat keinen Platz mehr haben. Hüten wir uns, dass es uns nicht so geht wie dem Jerusalem, das nach der Verheißung des Propheten das göttliche Licht schauen sollte: Dass wir danach suchen, wo man etwas sieht! Denn dieses Licht Gottes ist verborgen. Man sieht es nicht – man sieht ihm nicht an, was es ist, wo nicht Gott das Herz auftut, und wir wie die Weisen aus dem Morgenland in dem Kind in der Krippe den erkannt haben, dem der Weg unserer Sehnsucht galt! Liebe Freunde! Das ist der Weg der Weisen, der unser Weg werden muss – der Weg in die Verborgenheit in der allein das göttliche Licht leuchtet. Nicht das ist der Weg zu dem Licht, das erschienen ist, unser Leben zu erleuchten, dass wir warten, bis irgendwo ein Schein auftaucht, der vielleicht dies Licht sein könnt. (Ausführen: 3. Reich? K.? Und MRA?) Nein! Der einzige Weg zu diesem Licht ist das Gebet zu dem, der die Herzen erleuchtet, dass sie die Herrlichkeit Gottes sehen – die verborgen ist und doch da ist.

    3. Wo ist das Licht zu finden, das unser Leben erleuchtet, das Licht, von dem die Botschaft des Erscheinungsfestes redet? Jerusalem hat uns die Gefahr gezeigt, in der wir stehen – dies Licht nicht zu sehen, weil die Augen geblendet sind vom Glanz der Welt. Die Weisen wiesen uns auf die Verborgenheit des Lichtes, das nur der erkennt, dem Gott das Herz erleuchtet – (den Stern schickt) doch wo ist es nun wirklich zu finden, dieses Licht? Darf ich, um uns zur Antwort auf diese Frage zu helfen, ein Stück aus dem Gespräch Jesu mit der Samariterin am Brunnen vorlesen (Joh 4,19-26): Hier wird uns die Antwort gegeben, wo denn das Licht zu finden sei – nicht auf dem Garizim, dem heiligen Berg der Samariter, und nicht auf dem Zion, wo die Juden Gott anbeten. Es ist kein Ort mehr, der besonderen Nähe Gottes. Denn sein Licht ist da, wo sein Sohn uns begegnet. Er begegnet da, wo die Wahrheit unter uns wohnt, wo die falschen Masken fallen. Er begegnet, wo wir uns sehen, wie wir sind, und uns gerade in diesem Wesen ernst nehmen. Dann ist nicht mehr dunkel um uns! Einer ist des Anderen Licht – wie er von ihm das Licht empfängt. Freilich – wie sollten wir Licht sein, wenn er nicht da wäre im Wort und Abendmahl. Mache dich auf, werde Licht! Denn dein Licht kommt. Amen.