Palmsonntag 08.4.2001 Bauchenbach/Stübach


90,1.2 Ich grüße dich

Ps 801,7

85,1-4 O Haupt…

85,5

85,8-10

75,1 Ehre sei dir


Joh 12,12-19, Phil 2,5-11

Joh 17,1-8


Du unser Gott,

der du uns nahe gekommen bist im Leiden und Sterben Jesu Christ,

wir bitten dich,

mach uns deiner Liebe gewiss in allem, was uns widerfährt, damit wir dir vertrauen und an deinem Leben Anteil gewinnen

durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus, deinem Sohn…


Himmlischer Vater, du verherrlichst deinen Sohn Jesus Christus bei uns und machst uns so gewiss, dass du dir die nicht nehmen lässt, die du liebst.

Wir bitten dich für deine Gemeinde an diesem Ort und in aller Welt: Lass uns an Jesus als unserem Heiland festhalten in Worten und Taten und ihn so bezeugen, dass alle Menschen seine Herrlichkeit erkennen und durch ihn selig werden.

Wir bitten dich für Völker und Staaten, für alle, die Gewalt erleiden und die Macht ausüben. Schaffe du Recht und Frieden auf dem Balkan und im Heiligen Land. Gib allen Menschen, was sie brauchen, Brot und Arbeit, Heimat und Anerkennung. Lass uns das rechte Verhalten zu unseren Mitkreaturen finden.

Besuche die Einsamen und Kranken, geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden. Gib uns, dass wir in der Gewissheit deiner Liebe bis an unser Ende beharren.


Wir sind hier zusammen gekommen, um am Beginn der Karwoche miteinander Gottesdienst zu feiern und des Leidens und Sterbens Jesu Christi zu gedenken. Er stellt uns mit seinem unschuldigen Tod unsere Sünde vor Augen. Darum bitten wir: Gott sei mir Sünder gnädig.


Liebe Gemeinde!


Wir sind mit dabei, wenn der Sohn durch den Vater verherrlicht wird. Denn bei uns und durch uns geschieht das. Sicher ist damit das göttliche Geheimnis zwischen Vater und Sohn nicht einfach aufgedeckt, das Geheimnis der Passion, das Geheimnis, warum er so, durch sein Leiden, durch seinen Kreuzestod, uns erlöst hat. Aber bei uns und durch uns wird der Sohn verherrlicht. Wie das zugeht, solches Verherrlichen? Nun, dem können wir hier ein wenig nachgehen. Ihr kennt das Bild des Gekreuzigten. Wenn ich bei uns in Kosbach die Straße heraufkomme, steht da am Tor eines Bauernhofes dieses Bild: Ein schwarzes Kreuz auf einem festen Steinsockel aufgerichtet. Und daran hängt über und über vergoldet, glänzend im Licht der Sonne, der gekreuzigte Heiland. Sicher, das ist nur sein Bild. Aber dieses Bild soll seine Herrlichkeit zeigen: Er, der da am Kreuz hängt, er ist mehr wert als alles Gold der Welt.

Natürlich kann ich dann gleich weiter fragen: Was macht denn seinen Wert aus? Ich antworte einmal ganz vorläufig: Er zeigt uns, er zeigt mir das Leben. Damit kann ich mich identifizieren. Da habe ich die Wahrheit, an die ich mich halten kann. Da ist das Glück. Sicher, er steht nicht im Mittelpunkt dessen, was viele Menschen heute sich wünschen, was sie ersehnen und erträumen. Da mag es ganz andere Vorbilder geben: Den Mann mit dem schnellen Sportwagen, oder die Frau mit der zarten Haut, wie sie die Werbung im Fernsehen vorführt. Eine andere Art von Leben ist das, als sie das goldenen Bild des Gekreuzigten zeigt.

Aber das ist unser Bild, in der Kirche haben wir es vor Augen. Und vielleicht ist das doch auch eine gute Sache, wenn jemand dieses Bild an dem Eingang seines Hofes aufrichtet, Bekenntnis, Erinnerung, Mahnung: Da ist mein Vorbild, da ist mein Leben, mit dem ich zusammengehören will. Bei diesem Heiland ist es. Denn da ist Gott selbst, da ist der dabei, mit dem er so gesprochen hat: „Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche“.

Wir wissen etwas vom Leben. Und wir alten Leute, die viel erlebt und mitbekommen haben, wissen auch viel von diesem Leben. Dass es schön ist und grausam; dass es erhaben ist und furchtbar. Dass es Freude mit sich bringt und Schrecken. Ich will das nun nicht lange nach allen Seiten ausmalen.

Was da begegnet, mächtig, übermächtig, das haben Menschen Gott genannt. Vielleicht reden sie auch vom Schicksal, dem einer nicht entgeht, oder von der Natur, oder vom Weltlauf. Jesus hat Vater gesagt: Du, Vater. Er hat Vater, du mein Vater gesagt, und so zugleich ich: Ich und der Vater, der Vater und ich. Wir haben es von ihm gelernt. Davon ist hier in Jesu Gebet am letzten Abend mit seinen Jüngern die Rede: „Die Worte, die du mir gegeben hast, die habe ich ihnen gegeben. Und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin. Ich sagt Jesus; und sagt: „Du, Vater.“

Wir Christen haben es ihm dann nachgesprochen und sagen noch heute, wie er uns das gelehrt hat: Unser Vater im Himmel. Und wir wissen dabei, dass Jesus recht hat, so zu reden. Er ist der Sohn dieses Vaters. Das ist seine Herrlichkeit.

Dieser Vater, zu dem Jesus du gesagt hat, lässt sich nicht nehmen, was er liebt. So kommt das heraus in dieser Stunde, die da gekommen ist: Die Stunde, da er seinem Leiden, seinem Tod am Kreuz entgegengeht. Da, gerade da will Gott ihn verherrlichen, er, der Vater, der sich die nicht nehmen lässt, die er liebt. Wir, das weiß jeder, und erfährt es von Zeit zu Zeit voll Ohnmacht und Schmerz, wir müssen hergeben was wir lieben; Menschen, die uns wert waren, die eigene Kraft und Gesundheit, das Leben selbst. Aber der Vater, zu dem Jesus „du“ gesagt hat, dieser Vater lässt sich nicht nehmen, was er liebt. Diesen Sohn lässt er sich nicht nehmen, und die zu ihm gehören, zu diesem Sohn, die lässt er sich auch nicht nehmen!

Gewiss: Es sieht anders aus. Es sieht so aus, wie wenn der Tod triumphieren würde. Wir gehen ja nun in dieser Passionswoche die Stationen des Leidens und Sterbens Jesu durch: Den Einzug in Jerusalem und die Auseinandersetzungen mit seinen religiösen Gegnern. Dem Gründonnerstag, das letzte Mahl mit seinen Jüngern, wo er dieses Gebet gesprochen hat, das uns Anlass ist, über seine Verherrlichung nachzudenken. Sein Gebet in Gethsemane, seine Gefangennahme. Der kurze Prozess, den ihm Pilatus gemacht hat und der Tod am Kreuz: ein bitterer Tod, schmerzvoll, öffentlich, zur Schau gestellt, so sieht das aus. Aber der Vater lässt sich nicht nehmen, die er liebt. Diese Gewissheit ist das Leben, das uns Jesus selbst gibt. Und so wird er bei uns und durch uns verherrlicht, dass wir dieses Leben annehmen.

Vor ein paar Jahren fragte mich eine alte Freundin; sie stand vor einer schweren Operation, bei der es um Leben und Tod gegangen ist: Du kennst dich doch aus im Gesangbuch. Die beiden Zeilen wollen mir nicht aus dem Sinn: „Denn der ist zum Sterben fertig, der sich lebend zu dir hält.“ Was ist das für ein Lied? Ich konnte ihr die Auskunft geben, konnte sie auf die Nummer 406 in unserem Gesangbuch verweisen, das Lied von Philipp Spitta: „Bei dir Jesu will ich bleiben, stets in deinem Dienste stehn, nichts soll mich von dir vertreiben, will auf deinen Wegen gehen. Du bist meines Lebens Leben, meiner Seele Trieb und Kraft, wie der Weinstock seinen Reben zuströmt Kraft und Lebenssaft.“

Im vierten Vers heißt es da: „Ja, Herr Jesu, bei dir bleib ich so in Freude wie im Leid. Bei dir bleib ich, dir verschreib ich mich für Zeit und Ewigkeit. Deines Winks bin ich gewärtig, auch des Rufs aus dieser Welt; denn der ist zum Sterben fertig, der sich lebend zu dir hält.“

Wie er zum Vater du gesagt hat, so kann ich nun auch zum Sohn du sagen, zu meinem Heiland Jesus Christus. Das ist seine Herrlichkeit mit der ihn der Vater verherrlicht durch sein Leiden, durch seinen Tod hindurch: Dass er so nun mit Gott zusammen gehört, mit diesem Vater, der sich die nicht nehmen lässt, die er liebt.

So gehören wir mit dazu. So ist in diesem Sterben Jesu die Gewissheit des Vaters offenbar: „Ich habe den Menschen, die du mir ..., sie haben dein Wort bewahrt.“ Darum ist es so kostbar, dieses Bild des Gekreuzigten. Es ist ja ein äußeres Zeichen nur dieser Kostbarkeit, wenn da der goldglänzende Leib Jesu am Kreuz hängt, ausgestellt im Tod, preisgegeben und gerade damit verherrlicht. In unserer Gewissheit, da ist er bei uns. Wie der Vater sich nicht nehmen lässt, die er liebt, so hat sie der Sohn bei sich bewahrt; so bewahrt er uns bei sich, dass wir seiner Liebe und so der Liebe seines Vaters gewiss sein können.

Außen ist dieses Bild des Gekreuzigten in seinem goldenen Glanz. Aber erst recht ist es in uns, ganz nahe, so, wie das Valerius Herberger in seinem Sterbelied gesagt hat: Ich will jetzt nur den dritten Vers aus diesem Lied „Valet will ich dir geben“ anführen: „In meines Herzen Grunde dein Nam` und Kreuz allein funkelt all Zeit und Stunde, drauf kann ich fröhlich sein. Erschein mir in dem Bilde zum Trost in meiner Not, wie du Herr Christ so milde dich hast geblut zu Tod.“

Ich brauche es, und werde es brauchen, dieses Bild des Gekreuzigten. Ich brauche es, damit ich du sagen kann: Du mein Heiland und Bruder Jesus Christus. Du Gott, mein Vater. Ich bin gewiss, dass du dir nicht nehmen lässt, die du liebst!“

So gehört das zusammen, was Jesus hier in seinem Gebet zum Vater mit einander nennt: Die Stunde, die gekommen ist, die Zeit der Passion, des Leidens, des Sterbens, und die Verherrlichung durch Gott selbst. Denn gerade so kommt heraus, dass Gott sich den nicht nehmen lässt, den er liebt. Und wir sind mit dabei, wenn der Sohn durch den Vater verherrlicht wird. Denn bei uns und durch uns wird er verherrlicht als der Sohn dieses Vaters, der sich nicht nehmen lässt, die er liebt. Wie er gesagt hat: Du, Vater, so können wir nun sagen: Du unser Heiland und Bruder Jesus Christus. Dir gehören wir. Niemand kann uns dich nehmen. „Ja, Herr Jesus, bei dir bleib ich, so in Freude als im Leid. Bei dir bleib ich, dir verschreib ich mich für Zeit und Ewigkeit. Deines Winks bin ich gewärtig, auch des Rufs aus dieser Welt, denn der ist zum Sterben fertig, der sich lebend zu dir hält.“

Das ist seine Herrlichkeit, dass wir so bei ihm bleiben. Amen.