1. Advent, 2. Dezember 1962,
Wolfenhausen/Nellingsheim
10, 1-4 Wie soll ich dich empfangen (233)
6,1-3 Macht hoch die Tür (170)
14,3.4 Die Nacht ist vorgedrungen (51)
6,5 Macht hoch die Tür (170)
Lukas 1, 67-79
Liebe Gemeinde!
Wieder feiern wir Advent,
das Fest des Kommens Jesu Christi: Jawohl, er ist gekommen – Gott. „Er hat
besucht und erlöst sein Volk“, wie es hier im Lobgesang des Zacharias heißt. Er
hat besucht – wenn wir das so hören, werden wir nicht gleich weiterfragen?
Gewiss, ein Besuch ist eine feine Sache, aber er ist doch bald vorbei! Vorbei?
Wäre das, was hier in so wohlgesetzten Worten gepriesen wird, vorbei? So, dass
wir uns seiner eben erinnern? So, dass wir daran denken können: Er ist einmal
da gewesen, der Heiland, ein guter, edler Mensch – aber das ist lange schon
vorbei. So dass wir vielleicht auch noch darauf hoffen können: Er wird einmal
wiederkommen, um alles viel besser zu machen, als es jetzt ist?
Nein! Das wäre eine
armselige Sache, wenn wir so ihn herbei bringen müssten, in unseren Gedanken,
in dem, dass wir uns vorstellen, wie er einmal da war, oder uns vorstellen, wie
es einmal sein könnte, wenn er wiederkommt. Eine armselige Sache wäre das, wenn
unser Feiern nur darin bestünde, in dieser Erinnerung, in dieser Erwartung. Er
ist gekommen, das heißt: Er ist da.
Gott ist da. Gott ist da, in
seinem Wort, das wir hören. Das ist`s, dass er sich selber uns gegenwärtig
machen kann, durch die Kraft seines heiligen Geistes. Dass er das kann, dass er
das tun will, das gibt unserem Tun seinen Sinn, unserem Feiern, unserem
Predigen, unserem Hören. Er kommt: Das heißt nicht nur: Er ist einmal
dagewesen, früher, vor langer Zeit. Es heißt auch nicht: Er wird einmal
wiederkommen, irgendwann, zu einer Zeit, die er sich vorbehalten hat.
Nein! Das heißt: Er kommt
jetzt zu uns, in seinem Wort; er kommt jetzt zu uns, dass wir nicht allein
bleiben, mit uns, mit unserem Erwarten, mit unserer Erinnerung, mit unserem
Denken und Vorstellen.
Seht: Dass das so ist, das
bewahrt uns davor, dass wir ausweichen mit unserem Glauben aus dieser Welt mit
ihren Realitäten, das wir ausweichen in eine ausgedachte Welt, in der seinen
Platz behält, was in dieser Welt nicht bleiben kann, was die Wirklichkeit
dieser Welt nicht ertragen kann. Nein! Gerade hier werden wir aufgesucht.
Gerade hier weist er uns unseren Platz an. Gerade hier können wir bleiben!
So haben wir Advent zu
verstehen: Sein Kommen hält uns fest an unserem Ort! Uns an unserem Ort, das
heißt: Uns, wie wir sind, in dieser Welt, wie sie ist. Daran haben wir nicht zu
rütteln, und sollen gewiss nicht versuchen, dem auszuweichen. Sein Kommen hält
uns fest an unseren Ort. Es zeigt uns, wie wir dran sind, wir, in unserer Welt.
So spricht Zacharias von dem Kindlein, das da vor ihm liegt, von seinem Sohn,
der einmal Johannes der Täufer werden soll: „Er gibt Erkenntnis des Heils
seinem Volke, in Vergebung der Sünden.“
Damit fängt Gottes Hilfe an,
liebe Freunde, dass uns gezeigt wird, dass wir uns gewiss nicht selber helfen
können. Und nur so werden wir dieser Hilfe gewahr werden, dass wir vor solcher
Erkenntnis gerade nicht ausweichen, sondern uns das gefallen lassen. O ja, es
gibt ja vielerlei Möglichkeiten, dem davon zulaufen, wie Gott da zu uns kommt,
um uns an unserem Ort festzuhalten. Wir können davon laufen, uns in die Büsche
schlagen, wie … Adam das getan hat, als er mit seinem bösen Gewissen die Stimme
Gottes vernahm. Wir können uns genauso verstecken, hinter dem verstecken, was
nun einmal der Brauch ist in dieser Welt, was sie ja alle tun, und was darum doch
so schlimm nicht sein kann. Jeder ist sich selbst der Nächste, jeder,
und also brauchen wir uns doch nicht gar zu sehr um die anderen zu bekümmern.
Und unsere Welt ist nun einmal schlecht, und wir sind noch lange nicht die
Schlimmsten. So können wir’s machen – weglaufen vor ihm, der da kommt,
weglaufen und uns verstecken hinter dem, was alle tun, und zwar recht
wortreich, und sicher aus ehrlicher Überzeugung, die bösen Zeitläufe beklagen,
und doch sehr eifrig aus diesen bösen Zeitläufen für uns das Beste herausholen!
So ist das. Aber wie Gott zu seinem Worte wirklich zu uns kommt, da hält er uns
fest, uns an unserem Ort, dass wir ihm nicht entgehen können. Das ist der
Anfang. So wie eben Johannes der Täufer der Anfang ist dieses Kommens, das Kind
über dem sein Vater diese weissagenden Worte gesprochen hat – das Kindlein, das
dann als Mann es allen entgegengehalten hat: Tut Buße, das Himmelreich ist nahe
herbeigekommen! Und der sie getauft hat – einen nach dem andern: Hinunter in
die Flut mit dir! Da gehörst du hin. Ersäuft und verderbt gehörst du –
nicht die bösen Zeitläufe und die anderen, die es doch wahrhaftig auch nicht
besser, sondern im Gegenteil viel schlimmer treiben! Du gehörst ersäuft! Da ist
seine Wahrheit, des Täufers Wahrheit, die Wahrheit unserer Taufe. Dass wir
nicht davon laufen, sondern uns eingestehen, wer wir sind und wo wir sind!
Aber seht: Und das ist nun
das Zweite, was wir von diesem Kommen zu sagen haben: Dieser Ort soll nicht der
Ort der Verdammnis sein, sondern der Ort des Heiles. Ja – es könnte auch anders
sein. Gott könnte sie ja auch allein lassen, diese Welt, könnte uns allein
lassen, mit unserem Tun und…Enttäuschungen, mit unserem guten Willen und mit
unserer Erbärmlichkeit, könnte uns uns selber lassen, und dem Herrn unseres Lebens,
dem Tod, dem wir alle entgegengehen. Aber so handelt Gott gerade nicht. Er
stellt uns wohl an unseren Ort, und wir, die Getauften, sollen das wissen, was
es heißt, dass wir getauft sind. Er will uns aber gerade hier nicht allein
lassen, uns und unsere Welt. Er will sie erhalten auf seine wundersame, auf
seine göttliche Weise! Darum preist Zacharias: „Dass er erzeigte Barmherzigkeit
unseren Vätern und gedächte an seinen Heiligen Bund, und an den Eid, den er
geschworen hat unserem Vater Abraham.“ Gott hält gerade zu uns und unserer
Welt, zu dieser Welt, und zu uns in dieser Welt, die wir wohl wissen, wie wir
dran sind, gerade dort, wo Gott in seinem Wort auf uns zukommt. Darum können
wir bestehen weil wir….
Und damit wird uns dann ein
Drittes deutlich: Indem er so kommt, werden wir, die wir so sind, wie uns das
in seinem Kommen deutlich wird, an unserem Ort in den Dienst gestellt! Seht, es
geht ja nun gerade nicht darum, dass er`s uns leicht macht. Es geht nicht
darum, dass in diesem Kommen Gottes in Jesus Christus alle unsere Probleme
gelöst sind, dass es eine leichte und einfache Sache ist, das wir „ihm dienen
ohne Frucht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig
ist.“
Vielmehr: Im Glauben ihm
dienen, das heißt seiner verborgenen Herrschaft gehorsam sein. Wie es jenem
gegangen ist, über dem als Kindlein diese Worte gesprochen wurden, und der als
Mann zu ihm sandte mit der zweifelnden Frage: Bist du, der da kommen soll – und
doch ausharrte bis zu seinem gewaltsamen Tod. Er kommt zu uns! Amen – ja komm,
Herr Jesu.