1. Advent, 30.11.1980
Möhrendorf
Intr.1
3,1-5 Ihr lieben Christen
1,1-5 Nun komm der Heiden Heiland
139 Verleih uns Frieden
9,1-4 Mit Ernst, o Menschenkinder
444 Herr, Du wollst uns wohl bereiten
Röm 13, 11-14 a
Mt 21,1-9
Luk 1, 67-79
Festliche Form – Seite 13
Intr 1.24
Chor singt nach der 1.
Lesung. Kollekte nach der Predigt
Herr Gott, himmlischer
Vater,
der du uns nahe kommst in
deinem Wort,
wir bitten dich,
lass uns dein Licht
leuchten,
und schenke uns den Frieden
deiner Gegenwart
durch Jesus Christus, deinen
Sohn,
der mit dir in der Einheit
des heiligen Geistes lebt und regiert in Ewigkeit. Amen
Liebe Gemeinde,
ich bin gerne hierher gekommen,
um Sie wieder einmal zu besuchen und mit ihnen wieder einen Gottesdienst zu
feiern. Zugleich aber bin ich fast erschrocken, als ich bei der Vorbereitung
merkte, wie nahe Weihnachten schon wieder gerückt ist. Warum ein solches Erschrecken,
manche von ihnen werden diesen Gefühl ja auch kennen? Als wir noch Kinder
waren, da konnte es ja nicht schnell genug gehen, und die Tage der Adventszeit
zogen sich endlos hin. Es ist gewiss nicht einfach das Gefühl: Schon wieder
ein Jahr, das zu Ende geht. Mit dem Fest, auf das wir nun in der Adventszeit
bewusst zugehen sollen, ist viel verbunden, der Druck einer großen Erwartung.
Und ich frage mich ob ich diesem Druck gerecht werden kann. Es ist ja nicht
mehr so, dass ich das Fest erwarte, als einer, der sich überraschen und beschenken
lässt. Ich spüre viel eher die Erwartung, die an mich gerichtet ist. Viele
Menschen erwarten von mir zum Fest einen Gruß, ein Zeichen des Gedenkens.
Wird es mir gelingen, diesen Gruß richtig zu gestalten? Werde ich niemand
übersehen und vergessen? Meine Mitbürger drüben in Kosbach erwarten von mir,
dass ich ihnen am Heiligen Abend eine Christvesper halte. Werde ich die rechten
Worte finden, gerade auch für die, die vielleicht nur dieses eine Mal im ganzen
Jahr einen Gottesdienst besuchen?
Ich will sie nicht mit
meinen Sorgen belasten. Aber ich kann mir wohl denken, dass während meiner
Aufzählung der eine oder andere unter ihnen an das gedacht hat, was von ihm
erwartet wird, damit in seiner Familie, in seinem Freundeskreis, in seinem
Verein die Feier des Weihnachtsfestes gelingt.
Es ist nahe, dieses Fest. Es
wird bald kommen, und dann vorübergehen wie es schon oft gekommen und wieder
vorübergegangen ist. Das wissen wir, und brauchen uns deshalb eigentlich gar
keine Sorge zu machen. Es ist da wie mit einem Besuch. Der kommt, und dann geht
er wieder. Und das Weihnachtsfest selbst ist ja die Erinnerung an einen solchen
Besuch: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöset
sein Volk… durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes hat uns besucht
der Aufgang aus der Höhe, auf dass er erscheine denen, die da sitzen in
Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des
Friedens.“ Weihnachten – Erinnerung an den Besuch Gottes. Vielleicht kommt von
daher der besondere Erwartungsdruck, der auf diesem Fest liegt: Es soll wie ein
Besuch Gottes sein – und wir fragen uns, ob das gelingt. Eigentlich sind wir’s
ja schuldig, anderen diese Erfahrung möglich zu machen, dem Ehegatten, den
Kindern, den Mitarbeitern. Und wir wissen gut mit Geschenken allein, und seien
sie noch so passend ausgesucht, ist es eigentlich noch nicht getan. Darum
erwarten wir das Weihnachtfest mit so gemischten Gefühlen. Wir sind froh, dass
es kommt, wollen es nicht missen, aber vielleicht sind wir dann nachher auch
wieder froh, wenn es für dieses Jahr vorbei ist. Es könnte sein, dass es uns da
geht wie bei manchen Besuch: Wir sind froh, wenn er kommt, und wir freuen uns,
wenn er dann wieder geht (wie bei Tante Berg).
Bleiben wir mit unserem
Nachdenken noch dabei, was das ist: Besuch – die Erinnerung an Gottes Besuch.
Sicher: Weihnachten ist „das Fest“ – eine unübersehbare Markierung. Und ich
hielte es nicht für gut, wenn wir es verlernten, dieses Fest miteinander zu
feiern und stattdessen irgendwohin fahren wollten, um Schnee und Sonne und
andere Menschen zu erleben. Es ist eine Markierung, dieses Fest, und ist
gelungen, wenn wir es so erleben: Erinnerung an den Besuch Gottes. Erinnerung
an ein Licht, das anders ist als die Lichter, die wir mit unserer Technik zu
Wege bringen. Anders auch als die Lichter; die uns in unserem Verstand
aufgehen. Darauf richtet sich doch unsere Erwartung, auf dieses Licht. Das Fest
will uns daran erinnern! Erinnerung auch an den Frieden, gewiss einen anderen
Frieden als den, den wir mit unseren Panzern und Atombomben glauben erzwingen
zu können. Aber auch einen anderen Frieden, als wir ihn dort halten, wo wir gut
miteinander auskommen, und lieber unsererseits ein bisschen nachgeben, statt
den Unfrieden im Haus oder im Geschäft zu riskieren. Erinnerung vielmehr an
einen Frieden, der nicht erzwungen wird, und auch nicht ausgehandelt werden
muss, sondern der kommt und das mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit
der am Morgen die Sonne aufgeht – und dann wird es hell, dass wir sehen. Und
wenn da dann einer die Augen zumachte und sagte: Es ist doch Nacht; ich sehe
nicht – den würden wir mit gutem Recht als einen Dummkopf bezeichnen. So ist
das doch mit der Erinnerung an diesen Besuch Gottes: Es ist die Erinnerung an
dieses Licht und diesen Frieden: „Durch die Barmherzigkeit unseres Gottes hat
uns besucht der Aufgang aus der Höhe, auf das er erscheine denen, die da sitzen
in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des
Friedens.“
Daran erinnert uns das Fest,
wenn es gelingt. So, wie uns eigentlich jeder Gottesdienst, den wir miteinander
feiern, an dieses Licht und diesen Frieden erinnert.
Ich kann nur mir selbst und
jedem Einzelnen von ihnen wünschen, dass das Weihnachtfest, auf das wir jetzt
zugehen, wirklich die Erinnerung an dieses Licht und diesen Frieden mit sich
bringt.
Wir müssen mit unserem
Fragen nun aber noch einen Schritt weitergehen: Erwarten wir eigentlich nur die
Erinnerung, Erinnerung an den Besuch Gottes, Erinnerung an das Licht,
Erinnerung an den Frieden? Erwarten wir mit dieser Erinnerung nicht den Besuch
Gottes selbst? Es wäre doch wohl sehr kindlich und unangemessen von unserem
Gott gedacht, wenn wir sagten: Er ist einmal in dieser Welt auf Besuch gewesen.
Aber dann ist er wieder weggegangen, wie eben ein Besuch weg geht, und hat uns
nichts anderes zurückgelassen als die Erinnerung – an das Licht, das nicht aus
unseren Menschenköpfen und Herzen stammt. An den Frieden, der anders ist als
die Art und Weise, wie wir auch im besten Fall miteinander auskommen können. Es
wäre viel zu gering von unserem Gott gedacht, wenn wir sagten: Er hat uns
besucht, ist gekommen und gegangen, und nichts ist uns geblieben als die
Erinnerung, und das, was wir aus dieser Erinnerung machen. Gewiss, unser
Gottesdienst, und unser Weihnachtfest. Das ist etwas, was wir machen. Und wenn
es uns gelingt, ein schöner Gottesdienst, ein frohes Fest – das ist nicht
wenig. Aber unsere Erwartung würde zu kurz greifen, wenn wir so eine gelungene
Erinnerung erwarteten. Gott ist nicht einfach weggegangen. Er kommt, und wir
können und dürfen seinen Besuch erwarten: Sein Licht, das nicht aus unseren
Menschenköpfen und Herzen stammt, und den Frieden, der so da ist, dass wir uns
nur darin freuen können. Er wäre…sehr kindlich gedacht, wenn wir diesen Besuch
Gottes, dieses Licht und diesen Frieden genau zum Weihnachtsfest, zum Abend des
24. Dezember, erwarteten. Ich will nicht sagen, dass er da nicht kommen könnte.
Aber ich meine, dass er auch zu anderer Zeit, und vielleicht ganz anders kommen
kann, als wir uns das ausdenken. Viel einfacher, direkter, leibhaftiger
vielleicht, als wir uns das vorstellen.
Nehmen wir darum diesen
Besuch Gottes so, wie er ist: Nicht die Erwartung, die wir zum Fest erfüllen
wollen, und die uns so unter Druck setzten kann. Vielmehr die Erinnerung, an
Licht und Frieden – damals, als Jesus geboren wurde und Johannes der Täufer,
das Kindlein, das ein Prophet des Höchsten heißen und vor dem Herrn hergehen
sollte; und an Licht und Frieden heute, wie er uns mit Gott begegnet. Und uns
aufatmen lässt. Erinnerung, die zugleich Erwartung ist und uns aufmerken lässt.
Gott, der uns besucht, ist uns näher als wir denken. Amen
Herr, unser Gott,
wir danken dir, dass du uns
nicht allein lässt, sondern suchst uns heim in deiner Liebe.
Wir bitten dich für die
Christenheit, gib uns die Kraft der Liebe und den Mut des Glaubens, dass wir
dich bezeugen in Worten und Taten und deinen Willen vollbringen.
Wir bitten dich für die
Völker und Staaten, gib den Regierenden Einsicht und allen Menschen Mut und
Zuversicht, dass sie den Frieden suchen.
Wir bitten dich für die
Menschen, die in Not sind, für die Erdbebenopfer in Süditalien, für die
Hungernden in Uganda, für alle Unterdrückten,
gib ihnen Hoffnung und öffne
uns Herzen und Hände, dass wir einander beistehen, wie du es willst.
Bereite uns und diese Welt,
damit du uns nahe kommst nach deiner Verheißung.