13.
nach Trinitatis 28.8.1983 Büchenbach,
Martin-Luther-Kirche
Intr
16
336,1-4
244,1-3
246,1-8
139
Lk
10,25-37
1.Joh
4, 7-12
Mt
6,1-4
Herr,
Gott, himmlischer Vater,
der
du uns deine Güte zuwendest und lässt uns leben vor dir, wir bitten dich, lass uns
erfahren, was dein Wille ist, und das Gute tun durch unsern Herrn Jesus
Christus, deinen Sohn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert in
Ewigkeit. Amen.
Herr,
unser Gott!
Gib
uns Aufmerksamkeit, deinen Willen zu erkennen, und lass uns das Gute tun.
Wir
bitten dich für die Christenheit: Lass das Evangelium recht predigen und gib
offene Ohren und Herzen für dein Wort.
Wir
bitten um den Frieden – versöhne die Völker, gib den
Regierenden Einsicht, wehre der Angst.
Hilf
allen, die sich mit ihren Worten und Taten für den Frieden einsetzen. Sei mit
ihnen, stärke sie, wehre Missverständnissen und aller Verleumdung. Bring du uns
deinen Frieden.
Wir
bitten dich, gib Arbeit und Brot denen, die es nötig haben. Stärke die Kranken,
geleite die Sterbenden tröste die Trauernden. Amen.
Liebe
Gemeinde!
Gibt
es das bei uns auch, dass einer sein Almosen, seine Wohltätigkeit so
ausposaunt, wie das hier den Pharisäern vorgeworfen wird? So habe ich mich
gefragt. Und da ist mir dann naheliegender Weise der Weltrekordleberkäs
eingefallen, der am vergangenen Sonntag beim Marktplatzfest zugunsten der
Aktion Sorgenkind aufgegessen wurde. Fanfaren waren da ja auch aufgeboten, und
allerhand Prominenz vom Bundestagsvizepräsidenten an; und natürlich die Presse
und das Fernsehen, damit jeder von dem großen Trara erfahren konnte, das man da
gemacht hat: Zu einem guten Zweck natürlich. Soll ich da nun mit diesem
Jesuswort kommen und sagen: Diese Heuchler – sie haben ihren Lohn dahin? Sie
haben gehabt von ihrem Tun, was sie wollten: Die Metzgerei hat ihren Rekord und
die Reklame, der Bundestagsvizepräsident hat seine Publicity, die Leute haben
ihr Spektakel gehabt und ihren Leberkäs – vorbei ist’s damit. Richtig – vorbei
ist’s damit, einmal abgesehen davon, dass gewiss allerhand Geld für den guten
Zweck zusammen gekommen ist. Sie haben ihren Lohn dahin – sie haben ihn schon
bekommen, den Lohn für dieses Tun: So lässt sich mit diesem Jesuswort da schon
sagen.
Aber
die dieses Spektakel damit einander veranstaltet haben, die wollten doch wohl
auch gar nichts anderes. Die Frage ist viel eher die: Was wollen eigentlich
wir, wenn wir unser Almosen geben: Das Wort ist uns nicht mehr ganz geläufig,
ein Lehnwort aus dem Griechischen. Man könnte es übersetzen als tätiges
Mitleid: Das haben wir doch alle, geben Geld für diesen oder jenen guten Zweck,
helfen mit, wo wir dazu die Zeit und Fähigkeit haben, im Diakonischen Zentrum,
bei einer Behindertengruppe. Ich brauche die vielfältigen
Möglichkeit jetzt gar nicht aufzuzählen. Nur so viel: Solches tätige Mitleid,
das gehört doch ganz selbstverständlich zu unserem Leben mit dazu.
Aber
ich frage jetzt ja danach: Warum tun wir das? Natürlich deshalb, weil da Not
ist, von der wir erfahren haben, und wir selbst haben die Möglichkeit zu
helfen. Aber ist das der einzige Grund? Steht nicht auch der Gedanke dahinter:
So will Gott es haben, und er wird das Gute, das wir tun, vergelten: Dein
Vater, der das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten! Wer Gutes tut, der kann
den Lohn dafür erwarten: das ist eine naheliegende und sehr einleuchtende
Überlegung, und scheinbar schärft das Wort hier diese naheliegende und
einleuchtende Überlegung ein: Mach keine große Schau aus deinem tätigen
Mitleid, wie der Wim Thoelke mit seinem Großen Preis zugunsten der Aktion Sorgenkind.
Gott erfährt das Gute, das du tust, und er wird’s dir vergelten. Darum bleib im
Verborgenen mit deinem tätigen Mitleid! Aber halte ich mich denn daran? Wenn
ich mir das so überlege, dann denke ich zum Beispiel an die Spendenquittungen,
die ich das ganze Jahr über sammle, um sie mit meiner Steuererklärung
einzureichen. Jeder macht das so: Solche Spendenausgaben kann man ja von der
Steuer absetzen, und warum sollte ich das nicht auch tun?
Aber
ist das denn richtig? Ist da dann noch ein großer Unterschied zwischen dem, der
seine Wohltätigkeit ausposaunt, und dem, der gerne den Steuervorteil mitnimmt
und weiß, dass von seiner Spende die Allgemeinheit 15, oder 20, oder 50 Prozent
zahlt, je nach dem Steuertarif, in den einer eingestuft ist. Ist das gemeint
bei diesem Jesuswort: Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand
nicht wissen, was die rechte tut! Sicher nicht. Ich weiß genau, was ich da
mache; und anders geht das wohl auch nicht. Wie soll das denn sein, dass die
linke Hand nicht weiß, was die rechte tut? Die linke Hand weiß doch nicht, und
die rechte auch nicht – sondern der Kopf, zu dem die rechte Hand genauso gehört
wie die linke! Kann ich denn vergessen, was ich tue – soll ich das vergessen?
Vielleicht meint Jesus das mit seinem Wort: Das tätige Mitleid soll geschehen,
soll in Selbstvergessenheit geschehen, und nur darum, weil da Not ist, der
abgeholfen werden muss. Wie könnte das aussehen?
Wir
haben vorhin als Evangelium die Geschichte vom barmherzigen Samariter gehört.
Sie ist jedem von uns geläufig. Ich will nun aber versuchen, diese Geschichte
noch ein Stück weit weiter zu erzählen. Das muss in zwei Teilen geschehen. Da
ist der Mensch, der unter die Räuber gefallen war: Er wurde gerettet, lag nun
in der Herberge, und der Wirt sorgte für ihn. Das Geld dafür hatte er ja
bekommen. Natürlich wurden seine Angehörigen unruhig, als er einen Tag, und
noch einen Tag, und noch einen Tag über die geplante Zeit hinaus weg blieb. Da
ging schließlich sein Bruder mit dem schon fast erwachsenen Sohn – sie wollten
ihn suchen. Und fragten unterwegs Bekannte und Unbekannte und hörten, da habe
man vor zwei Tagen in die und die Wirtschaft einen Halbtoten gebracht. Das
könne vielleicht der Vermisste sein. So haben sie den Vater und Bruder gefunden
und der war schon so weit wieder hergestellt, dass er am nächsten Tag mitkommen
konnte. Wovon hat er geredet? Das ist leicht auszurechnen: Von den Räubern, und
wie er dachte, er müsse sterben; vielleicht hat der die zwei, den Priester und
den Leviten, vorbeigehen sehen, und hoffte – aber zum Rufen war er zu schwach.
Und dann kam der Retter: Von dem wird er erst recht geredet haben. Ihm
verdankte er sein Leben. Dieser Mann hatte seine Geschichte, unvergessen und
unvergesslich – die Todesgefahr, und die Rettung aus dieser Todesgefahr.
Wie
aber ging das mit dem Samariter weiter? Er hat seine Geschäftsreise beendet.
Und als er dann wieder zuhause gewesen ist, in Sychar
oder in Sebaste, und mit seinem Freunden am
Stammtisch saß, da werden die ihn wohl auch gefragt haben, was er auf seiner
Reise nach Jerusalem erlebt hat. Von seinen Geschäften wird er erzählt haben.
Von dem gerissenen jüdischen Produktenhändler Simon oder Jochanan,
dem er einen Posten Olivenöl als erste Qualität angedreht habe, obwohl das
höchstens zweite Qualität war, und wie er dabei einen guten Schnitt gemacht
habe. Das gilt unter Kaufleuten, und er wird sich gefreut haben, als ihn seine
Freunde dazu beglückwünschten. Ob denn sonst noch etwas los gewesen sei? Ach
ja, da habe er zwischen Jerusalem und Jericho einen armen Teufel aufgelesen,
den die Banditen übel zugerichtet hatten. Eine Schande ist das, dass die
Militärregierung mit diesem Gelichter nicht fertig wird. Da zahlt man sich halb
kaputt mit seinen Steuern. An jeder Ecke steht so ein Zöllner und knöpft einem
das sauer verdiente Geld ab. Und was hat einer davon? Nichts hat er; nicht
einmal seines Lebens ist man mehr sicher, wenn man unterwegs ist. Und wieder
war man sich am Stammtisch ganz einig: Recht hat er, eine Schande ist das, die
hohen Steuern und die römische Militärregierung, die nur kassiert aber nichts
dafür tut.
Dort
ist das Almosen, ist das tätige Mitleid, recht und Gott gefällig, wo die linke
Hand nicht weiß, was die rechte tut. So sagt Jesus. Vielleicht sieht das so
aus, wie bei dem Samariter, für den dieses tätige Mitleid bloß
selbstverständlich und so beiläufig war, dass es sich gar nicht recht verlohnte, viel darüber zu reden. Hauptsache, es wird
geholfen. Warum soll Gott eigentlich nicht auch seine Freude gehabt haben an
dem Riesentrumm Leberkäs samt dem großen Trara drum
herum? Hauptsache, es wird geholfen.
Bleibt
noch eine kleine Nutzanwendung: Vielleicht haben wir, die so ein Wort wie
dieses kennen und ihm gerne folgten, es schwerer mit der beiläufigen
Selbstverständlichkeit des tätigen Mitleids. Aber Gott braucht uns, weil er
aufmerksame Leute braucht, die auch dort helfen, wo das nicht so offenkundig
ist, und so populär. Amen.