1.Sonntag nach Trinitatis 17.6.2001 Peter und Paul, Erlangen-Bruck

 

449,1-4 Die güldne Sonne

Ps 801,14

1.Joh 4,16b-21

124,1-4 Nun bitten wir

Mt 9,35 – 10,7

196,6     Gott, Vater

347,1-6 Ach bleib mit deiner

421         Verleih uns Frieden

 

Du, unser Gott,

du bist uns nahe und hast uns dieser Nähe durch Jesus gewiss gemacht.

Wir bitten dich: Gib uns Vertrauen und Hoffnung, dass wir deine Liebe erkennen in allem, was uns widerfährt, durch unsern Herrn und Bruder Jesus Christus … Amen.

Wir sind zusammen gekommen, um miteinander Gottesdienst zu feiern. Wir brauchen die guten Worte, die uns trösten und weiter helfen. Wir selbst bringen sie nicht auf, denn wir verlassen uns viel zu sehr auf unsere Aushilfen und unser Tun. Damit versäumen wir Gottes Trost und Hilfe. Darum bitten wir ihn: Gott; sei mir Sünder gnädig.

Gott, du regierst unsere Welt. Deiner Liebe vertrauen wir. Wir bitten dich für deine Gemeinde an diesem Ort und in aller Welt. Gib du Frauen und Männer, die deine Nähe in Wort und Tat vollmächtig bezeugen und die zu dir führen, die dich brauchen. Lass die Menschen, die in Frankfurt zum Kirchentag zusammen gekommen sind, dich erkennen und bei dir bleiben. Wir bitten dich für Völker und Staaten, für die Menschen, die Gewalt erleiden, die Macht ausüben. Lass das Recht sich durchsetzen. Gib, dass die zerstrittenen Völker und Religionen auf dem Balkan und im Heiligen Land auf einander zugehen und Frieden finden.

Gib allen Menschen, was sie brauchen, Brot und Arbeit, Heimat und Anerkennung. Lass du gedeihen, was du geschaffen hast, und bewahre die Fülle und Schönheit deiner Schöpfung auch für unsere Kinder und Enkel.

Besuche die Einsamen und Kranken, geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden.

Uns alle lass die Nähe deines Himmelreichs erfahren. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

dass da Jesus dabei ist, bei all dem menschlichen Jammer und Elend, das ist Grund zur Hoffnung. Wir sind ja schnell dabei, zu jammern. Und vielleicht läuft das uns alten Leuten, die wir sowieso nicht mehr allzu viel tun und verändern können, dann besonders leicht heraus, solches Jammern. Es lässt sich ja auch nicht absehen, wie es anders und besser werden könnte – um nur ein allgemeines Beispiel zu nennen: Bei diesem hoffnungslosen Hin und Her zwischen Juden und Arabern im Heiligen Land, mit Rache und Vergeltung, die sich nicht mehr aufhalten lassen. Ich brauche das nun nicht auch auf persönliche Beziehungen übertragen, wo es zwischen Frau und Mann, Kinder und Eltern, nicht viel anders aussieht und wir bloß noch warten können und beten, dass die große Katastrophe dann doch noch einmal vermieden wird. Ein Elend ist das. Aber hier, wo Jesus dabei ist, da heißt es gerade nicht: Er hat über dieses Elend gejammert. Vielmehr: „Als er das Volk sah, da jammerte es ihn. Denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.“ Es jammerte ihn – es rührte ihn an, sein Herz war bewegt von diesem Elend: So kann, so darf das nicht bleiben! Gott will diesen Jammer nicht. Sicher, da ist das Elend, und jeder kann davon sein eigenes Liedlein singen und das nennen, was so doch gewiss nicht bleiben soll und bleiben darf. Aber da Jesus dabei ist, und mit ihm Gott selbst, der sich über dieses Elend erbarmt, ist da Grund der Hoffnung.

Ich habe das jetzt wieder einmal beobachtet, auf dem Wieslein vor meinem Fenster, eine Amsel, die da herum suchte und herum stocherte, und ich dachte mir: „Du findest auch nicht, was du brauchst.“ Und dann kam der Altvogel daher und die junge Amsel verwandelte sich in ein bettelndes Junges, schlug mit den Flügeln und sperrte den Schnabel auf, und der Alte steckte ihr hinein, was sie nun einmal brauchte. Sind wir nicht ebenso dran? Wir suchen hier und da herum, um ein bisschen Grund zur Freude und zur Hoffnung zu finden. Aber das, was wir brauchen, das liegt nicht einfach auf der Straße. Es findet sich auch nur selten in der Zeitung und im Fernsehen. Grund zur Hoffnung, der findet sich dort, wo wir das hören und uns darauf einlassen: „Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen.“ Sicher, das kann noch sehr allgemein und abgehoben klingen, wenn es bloß so hingesagt wird. Aber sehe ich uns alte Leute an, und sehe ich unsere Kinder an, und sehe ich die Enkel an, und frage dann, wie es eigentlich weiter gehen kann, wie es gar gut hinaus laufen kann, mit mir und uns allen, dann ist das doch ein einmalig gutes und tröstliches Wort, dieses: „Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen.“ Wie die alte Amsel den Jungvogel den weit aufgesperrten Schnabel vollgestopft hat, mit dem, was er brauchte zum Leben, so ist das mit diesem Wort: Es gibt nur die Gewissheit: Gut wird es hinaus laufen, auf jeden Fall. Was da auf uns zukommt, auf uns alle miteinander, auf jeden von uns persönlich, das kann nur gut hinaus laufen, wenn wir das, was da kommt, zusammen nehmen mit dem, was da Jesu Jüngern als ihre Botschaft aufgetragen wird: Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen. Das Himmelreich – das ist also nicht der ferne, unzugängliche Ort, in dem wir allenfalls die Seelen unserer Verstorbenen suchen. Das Himmelreich – das muss man eigentlich so übertragen: Gott regiert. Und weil er regiert, darum wird es gut hinaus laufen.

Sicher lässt sich da dann allerhand einwenden: Ich kann mich da ja selber ins Verhör nehmen. Machst du dir es nicht zu bequem, wenn du da alles auf Gott schiebst und darauf, dass er es schon gut machen wird, dass er schon weiß, wie es weiter laufen soll und zu seinem Ende kommt, mit uns, mit unserer Menschenwelt. Es gibt doch nun einmal die Entscheidungen, die uns ständig abverlangt werden, die persönlichen und die gemeinsamen. Wie sollen wir es halten, beispielsweise, wie das im Augenblick hin und her diskutiert wird, mit der Genforschung an den embryonalen Stammzellen. Was das ist, weiß ich auch nicht so genau. Also: Müssen wir es den Fachleuten überlassen, den Experten? Aber es geht doch auch um uns alle. Vielleicht bin ich doch selbst in zehn Jahren auf ein Medikament angewiesen, das jetzt mit Hilfe solcher Forschung entwickelt werden könnte. So sagen mir die einen. Und die anderen sagen dagegen: Damit ist eine Grenze überschritten, die wir Menschen nicht überschreiten dürfen. Wir sollen Gott nicht ins Handwerk pfuschen, und wir sollen achten, was als Menschenwürde unantastbar ist.

Ich kann uns will da nicht eine Diskussion aufnehmen, die jeden von uns angeht, auch und gerade wenn wir nicht verstehen, was da im Einzelnen gemacht werden kann und gemacht werden soll. Jedenfalls, wenn ich da lese von den Schafen, die keinen Hirten haben und darum verschmachtet und verstreut sind: An so etwas denke ich schon. Da ist kein Hirte – keiner, der so genau weiß  und sagen kann, wo es hinausläuft und hinaus laufen soll und darf, so, dass ich sagen kann: Das ist richtig, und alles andere ist falsch. Vielmehr sind da doch viel zu viele Stimmen, die auf mich einreden, in Wissenschaft und Publizistik, in Wirtschaft und Politik. Und sie alle haben doch auch ein bisschen recht, und ich weiß dann erst recht nicht, wie ich denn dran bin.

Doch weiß ich es: Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen. Es wird gut hinaus laufen, weil Gott selbst regiert. Das arme Volk, die verschmachteten und zerstreuten Schafe, sie haben ihren Hirten, der ihnen sagen kann, was das Ziel ist: Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen. Und also wird es gut hinaus laufen. Jesus kommt uns da mit einem neuen Bild: Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende. Nun kann ich mich auch da sicher aus der Affäre ziehen, indem ich sage: Gut, bitten will ich schon. Aber die Arbeit, die sollen andere machen, die dazu besser geeignet sind. Es sind ja die zwölf Apostel, die da dann mit Namen genannt werden. Das waren Leute, besser geeignet als ich, klüger, frömmer, glaubensstärker, die Jesu damals aussendete und mit seiner Botschaft vom nahen Himmelreich betraute. Wirklich? Immerhin ist da doch auch ein Judas Iskariot mit dabei, und mit keinem Wort ist die Rede davon, dass er seine Sache etwa schlechter gemacht hätte, als die anderen Elf, die Jesus aussandte. Es kommt nicht so sehr auf die Leute an. Vielmehr kommt alles auf das richtige Wort an: Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen. Gott ist es, der das Ziel setzt, der seine Menschen auf dieses Ziel hinführt. Sie alle miteinander, uns genauso wie Inder und Chinesen, wie Juden und Araber, wie Albaner und Mazedonier. Sie alle und jeden von uns persönlich.

Das heißt dann nicht, dass uns damit alle Entscheidungen abgenommen wären. Aber da ist doch ein Stück weit der unerträgliche Druck von mir genommen: Auch was ich falsch entscheide, das bringt Gott selbst zurecht. Auch wo ich mir unsicher bin, persönlich wie im Blick auf unsere gemeinsamen Fragen, da ist mir doch Gott selbst nahe, der regiert.

So allgemein und abgehoben das klingen mag: Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen, so notwendig ist es doch, dass das, immer das, eingeschärft und gesagt wird. So wie es der junge Vogel in den Hals gestopft bekommt, weil er das braucht, um weiter leben zu können, so brauchen wir es, dieses Sätzlein: Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen. Gott ist es, der regiert. Das darf nicht verschwiegen werden. Es muss allen gesagt werden, wie sie es alle brauchen. Die verschmachteten und zerstreuten Schafe brauchen es, damit sie wissen, wo es hinaus läuft. Gott bringt seine Ernte ein, Halm für Halm, Mensch für Mensch. Für alle ist da Platz. Das wissen wir, und darum sollen sie es auch wissen und hören: Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen.