Prackenfels, 27.1.1990  4.n.d. Erscheinungsfest

358,1-4      Mein schönste Zier

Intr 4

249,1-3      Such, wer da will

298,1-7      Wer nur den lieben Gott

2. Kor 1,8-11  Mk 4,35-41  1. Mose 8,1-11

 

Wir danken dir, Gott, dass du uns leben lässt vor dir und uns deine Fülle zuwendest, wo wir das nicht verdienen.

Hilf deiner Christenheit, dass sie das Amt nicht versäumt, zu dem du sie berufen hast: Lass uns deine Wahrheit bezeugen, deine Herrlichkeit preisen und dir dienen in deinen Geschöpfen, damit dein Leben sich mächtig erweise gegen alle Bedrohung.

Wir bitten dich für die Völker und Staaten. Lass allen Menschen ihr Recht zuteil werden. Hilf denen, die Macht erleiden, und steh denen bei, die Macht ausüben, dass dadurch das Recht erhalten und gestärkt werde. Gib den Menschen in der DDR, was sie sich erhoffen.

Wir bitten dich, gib allen Menschen, was sie brauchen: Arbeit und Brot, Heimat und Anerkennung. Wehre du der Ausbeutung der Menschen und der Kreatur.

Besuche die Einsamen und Kranken, geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden.

Auf dich hoffen wir.

Du unser Gott wirst uns nicht verlassen.

Amen.

 

 

Liebe Gemeinde,

die Friedenstaube mit dem Ölblatt im Schnabel: hier zeigt sie an, dass Gott Frieden gemacht hat. Zeigt an, dass diese Bedrohung vorbei ist, die Bedrohung der Kreatur durch Gott selbst, die Bedrohung alles Geschaffenen durch seinen Schöpfer. Schon die Erwählung Noahs, der die Arche baute und die Tierlein Paar für Paar in diesen Schutz aufnahm, zeigte den Willen Gottes an: trotz der menschlichen Bosheit sollte es nicht ganz und gar aus sein mit dem Leben. Es sollte weiter gehen. Aber nun gedachte Gott an Noah und alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm war, das Leben in Fülle und Vielfalt sollte neuen Raum gewinnen auf dieser Erde. Gott hat Frieden gemacht: das zeigt die Friedenstaube mit dem Ölblatt im Schnabel an. Und das Zeichen des Noahbundes, der Regenbogen in den Wolken, macht es fest: diese Katastrophe, die Sintflut, ist endgültig vorbei und wird nicht mehr wiederkommen.

Es ist gut, wenn so das Gericht vorbei ist. Wir gehören zu denen, die es überdauert haben; Gott hat den Frieden gemacht. Er gedachte an seine Menschen. So etwas haben wir ja auch erlebt, im vergangenen Herbst, und so ganz fasse jedenfalls ich das noch nicht. Wer das sich dann gutschreiben will, die Nachrüster oder die Friedensbewegung, die Marktwirschaftler mit ihrem lockenden Reichtum oder das Volk, das da auf die Straße gegangen ist, das kümmert mich jetzt gerade nicht. Gott hat Frieden gemacht: so darf ich doch wohl voll Dankbarkeit sagen. Der Jäger 90 ist ins Trudeln gekommen, und die NVA verkürzt die Dienstzeit auf 12 Monate. Können wir nun die Friedenstaube Picassos von der Autoscheibe kratzen: Ein Anachronismus nun nach dem, was geschehen ist? Weg ist sie, wie jenes Täublein, das Noah das dritte Mal ausfliegen ließ, um ganz gewiss zu sein: Die Bedrohung ist vorbei, das Leben hat wieder Raum gewonnen auf diesem Erdboden.

Es ist gut, so etwas mitzuerleben. Es ist schön, sich da mit Noah am Ende der Sintflut wiederzufinden. Aber – müssten wir nicht erst recht nun doch wieder an den Anfang zurück, dahin wo von der Verderbnis allen Fleisches die Rede ist, und von dem Menschenherzen, dessen Dichten und Trachten nur böse ist immerdar? Ich brauche das hier nicht weiter auszuführen. Schon hört man es munkeln, dass die Winter nicht mehr richtig kalt werden wollten, das sei ein Anzeichen der sich anbahnenden Klimakatastrophe. Und Gewalt und Krieg und Blutvergießen haben ja nicht aufgehört, nachdem der eiserne Vorhang durch Europa aufgegangen ist und die Berliner Mauer stückweise verkauft wird. Dieser Tage war ein Kriminalkommissar der DDR in der AK zwo („Aktuelle Kamera“?) im Interview zu hören, der meinte, sie müssten sich nun schleunigst auf die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität einstellen.

Doch wir brauchen ja nicht an den Anfang der Sintflutgeschichte zurückzulaufen, und also vor die Katastrophe, um das aufzufinden, was wir vor Augen haben. Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und trotzdem oder deswegen – in einer Logik, die nicht die Logik von Menschen ist, sagt Gott: Sie soll nicht mehr um der Menschen willen verflucht sein, diese Erde. Solange sie steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Warum das? Als er herauskam aus dem Kasten, hat der gerettete Noah Gott ein Brandopfer geopfert. Und der Herr roch den lieblichen Geruch! Das hat ihm gefallen. Er hat Freude an den Leuten, unser Gott, trotz allem. Er hat Freude an ihrem Leben und Lieben und Lachen und Weinen, und freut sich an jedem Kindlein, das da auf die Welt kommt. Das ist Gottes Logik, und der wollen wir uns anvertrauen.

Der andere Erzähler, dessen Geschichte in unsere biblische Sintflutgeschichte hinein verwoben ist, der stellt den Noahbund in eine noch weitere Perspektive. Auch da ist gewiss nicht angenommen, dass die Menschen nun auf einmal gut geworden wären. Gerade das Verhältnis von Mensch und Tier bekommt da eine neue Qualität: Nun wird die Schlachtung der Tiere durch die Menschen bestimmt. Der Mensch wird Furcht und Schrecken unter den Tieren verbreiten, als Herr über Leben und Tod. Aber gerade mit diesem Verweis auf die Schlachtung weist dieser Erzähler in eine neue Dimension des Verhältnisses von Gott und Mensch: Solche Schlachtung ist die Voraussetzung jener Sühne, durch die der sündige Mensch dem heiligen Gott heilsam zu begegnen vermag, weil Gott das selbst so geordnet hat: Im Allerheiligsten, am Gnadenstuhl wird das Blut des Opfers angesprengt werden, und so kommt das Leben des sündigen Menschen in den Kontakt mit dem heiligen Gott. Und auch damit ist die Geschichte ja noch nicht zu Ende, in der wir mit unseren Worten und Gedanken hin und her gehen: Gott gedachte an Noah – so setzt die Perikope ja ein. Und solchem Gedanken Gottes begegnet unser Gedächtnis, indem wir feiern, wie da Gott und Mensch sich endgültig nahegekommen sind in Jesus Christus, den Paulus als den Gnadenstuhl verkündet hat, durch den uns allen der Zugang zu Gottes Leben eröffnet worden ist.

Es ist gut, wenn das Gericht vorbei ist. Das zeigt die Friedenstaube an und der Regenbogen. Davon reden ja auf ihre Weise die abschließenden Passagen der Sintflutgeschichten der beiden alten Erzähler. Das feiern wir, wenn wir das Gedächtnis Jesu Christi feiern. Aber das kann dann ja gerade nicht heißen, dass da nun auch vorbei ist, was wir zu tun haben: Als Berufene, als Erwählte, die nicht bloß im weiten Raum des Noahbundes stehen. Ich habe heute in meiner Predigt schon viel dogmatisch geredet. Darum mute ich Ihnen nun auch noch einen knappen dogmatischen Schluss zu: Erwählte, die Christenheit sind wir, in diese Geschichte hineingestellt, wie Noah. Und partizipieren am Amt Christi als Christen und dann auch in dem besonderen Amt, über das wir uns heute Gedanken gemacht haben. Der Einfachheit halber bediene ich mich da des Schemas vom dreifachen Amt: Dem prophetischen, dem priesterlichen und dem königlichen Amt. Dem prophetischen Amt, das den Götzendienst aufdecken soll. Jenen Götzendienst, in dem sich Menschen gottgleich sehen und sich eine Welt bauen, die dann ungewollt auf die Katastrophe zugeht. Das hat eine kürzlich erschienene dogmatische Beurteilung des Forums „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ übersehen. Die meint, die sich mit den Götzen anlegten, machten sich damit selbst zu Gott. Dem priesterlichen Amt – das nun das sacrificium eucharistikon darbringt, von dem die AC redet (Leben und Lieben in Worte fasst und Gott selbst verdankt). Dem königlichen Amt, dessen Aufgabe es ist, zu hüten und zu bewahren. So wie Noah in seiner Arche die Tierlein behütet und bewahrt hat, damit das Leben weitergehen kann. Da schließt sich dann der Kreis: Die Friedenstaube mit dem Ölblatt im Schnabel zeigt an, dass Gott Frieden gemacht hat.